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Neumann, Sarah; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der gerichtliche Zweikampf: Gottesurteil, Wettstreit, Ehrensache — Mittelalter-Forschungen, Band 31: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34909#0178

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V.l Agonale Gesellschaftsschichten

177

gitimation findet. Denn der Kampf ist wiederum gerade kein trennendes, sondern ein
verbindendes Element. Der Pakt der Könige gründet auf der Auseinandersetzung Ed-
munds und Knuts. Er ist weitaus mehr als ein außenpolitisches Abkommen, lässt er
doch eine Art Verwandtschaftsbindung aufkeimenA* Im Kampf hat der Bruder den
Bruder erkannt; alle weiteren Schritte Knuts, seine Vergeltungsschläge gegen diejeni-
gen, die seinen o&'A" auf dem Gewissen haben, ergeben sich aus dieser mehr
persönlich denn politisch konzipierten Verbindung.
Es sind vor allem diese einenden Effekte, die den Kampf oder auch nur die Kampf-
ansagen der Könige interessant, hörens- und überlieferungswert machen: Die Stoßrich-
tung des königlichen Zweikampfgebots führt in diesen Berichten nicht allein nach au-
ßen, es geht nicht nur um Abgrenzung vom politischen Gegner, sondern vor allem um
die Stärkung der Bindung von Herrscher und Vasallen. Wenn der König Kampfbereit-
schaft signalisiert, gibt er kurzzeitig seine Exklusivstellung auf, um sich in der Gesell-
schaft der Moores zu bewähren. Dies verschafft ihm Rückhalt und qualifiziert ihn
umso mehr für seine Führungsposition. D. h. er ist Teil eines insgesamt als >gut< begrif-
fenen Systems und so können die Rezipienten derartiger Erzählungen ihren Werteka-
non und letztlich auch sich selbst darin wiederfinden. Das Zweikampfgebot der Könige
ist somit neben aller außenpolitischen Rhetorik auch ein soziales Integrationswerk. Es
glückt, weil bereits in der formelhaften Kampfansage Grundüberzeugungen adeliger
Existenz und adeligen Standesbewusstseins anklingen. Wenn sich also der Exponent
der Herrschaftsordnung als >einer von ihnen< erweist, wird das Gruppenbewusstsein
angesprochen und Zusammenhalt im Inneren und Loyalität gegenüber dem Herrn ein-
gefordert. Herrschaftsstabilisierung erfolgt hier nicht von oben, sondern durch Integra-
tion in den Adel als die entscheidende soziale Gruppe, die sich gerade durch ihre Iden-
tifikation mit dem Zweikampf und all seinen Konnotationen von Bürgern und Bauern
absetzen kann.

V.l.3 lotwofores: kämpfende Bauern und Bürger
Im Gegensatz zum Adel konnte das für Bauern und Bürger kaum soziale Präge-
kraft entfalten/^ da den lotwofores der Zugang zu diesem Rechtsinstitut seit dem
11. Jahrhundert sukzessive verbaut wurde. Die Stadtrechte sprechen sich, wie bereits
dargestellt, zum großen Teil gegen eine Anwendung des aus.' *' Und auch dem

932 Vgl. dazu auch die früheren Fassungen von Henry von Huntingdon: Historia Anglorum VI.13,
S. 185: SimMS/faires adopfmi. reyMM??7<7Me parüamMr f.. J; William von Malmesbury: Gesta regum
Anglorum 2 (a. 1016), S. 219: f.. J CMm sis majesfaüs reHs in DeMm ef in me, domiMMm prop-
nüm ef/rafrem mdü/ü&rafMm occz&n's.
933 Le Livere de Reis de Engletere (a. 1016), S. 102.
934 Zwar sind auch Dorf und Stadt als Wehrverband definiert, jedoch ist der Kriegsdienst kein
unabdingbarer Bestandteil bäuerlichen und bürgerlichen Standesbewusstseins, wenn man
vom >Stadtadel< absieht, der sich auch in diesem Punkt stark an den Vorgaben des Adels orien-
tiert; vgl. BADER/DiLCHER: Deutsche Rechtsgeschichte, S. 571. - Zudem ist zu berücksichtigen,
dass sich mit den sog. Kolbengerichten und dem Rechtsbrauch des >Ausheischens< dem ritter-
lichen Zweikampf vergleichbare Formen der Konfliktbeilegung im ländlichen Bereich finden
lassen; vgl. FRENSDORFF: Ausheischen.
935 Vgl. Kap. 11.2.1.
 
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