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Büttner, Andreas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weg zur Krone Titelzusatz:: Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 35,2: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34719#0220

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Altar Setzung

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und zur Durchsetzung der eigenen Interessen und Pläne groß genug, konnte allerdings
auch die Goldene Bulle eine Doppelwahl nicht verhindern. Anders als 1314 standen sich
einhundert Jahre später zwar nicht mehr zwei durch den Main getrennte Lager mit ih-
ren Ritterheeren gegenüber, doch war das Resultat das Gleiche: Die höheren rechtlichen
Anforderungen an die Wahl und ihre rituelle Durchführung mögen einen Prozess der
>Zivilisierung< der politischen Willensbildung - im Sinne einer auf dem Verhandlungs-
weg zu suchenden Lösung - nach sich gezogen haben, doch blieb auch im 15. Jahrhun-
dert der Konsens nicht das einzig mögliche Endergebnis.

6.3 Altarsetzung

Die Goldene Bulle hatte die Altarsetzung oder Altarerhebung des Gewählten uner-
wähnt gelassen und damit eines der zentralen Elemente der spätmittelalterlichen Wahl,
ja bald sogar der Herrschererhebung an sich, ausgespart. Die Altarsetzung der rö-
misch-deutschen Könige ist zuerst von Fritz Rieger in seiner Dissertationsschrift aus
dem Jahr 1885 umfassend wissenschaftlich behandelt worden.^ Die von ihm außerdem
betrachteten Erhebungen geistlicher Würdenträger konnten in späteren Studien um
weitere Fälle ergänzt werdend Im Folgenden kann es daher nicht darum gehen, zu einer
allumfassenden Erklärung des Phänomens zu gelangen oder das Verhältnis zwischen
königlicher und päpstlicher Altarsetzung abschließend zu bestimmen. Das letzte Wort,
falls überhaupt möglich, dürfte in diesen Fragen wohl noch nicht gesprochen worden
sein.'" Stattdessen soll zunächst die Rolle, die die Altarsetzung bei den einzelnen Herr-

8 RiEGER, Altar Setzung.
9 Siehe hierzu zuletzt Bojcov, Warum pflegten deutsche Könige auf Altären zu sitzen?, mit dem
Literaturüberblick S. 251-257.
10 Während RiEGER, Altarsetzung, S. 61 eine Beeinflussung des kirchlichen vom weltlichen Brauch
annahm, neigt Bojcov, Warum pflegten deutsche Könige auf Altären zu sitzen?, auch aufgrund
zahlreicher Rieger noch unbekannter Quellen der entgegengesetzten Ansicht zu: »Jetzt kann
die alte Hypothese über die Priorität der weltlichen Macht mit der Erfindung der Zeremonie der
Altarsetzung als völlig widerlegt gelten ... Daraus folgt noch nicht, daß die Altarsetzung unbe-
dingt in der Kurie selbst erfunden worden sein muß. Aber auch wenn die Päpste sie von ir-
gendwo entlehnt hatten, konnte die weite Verbreitung des Ritus nur deswegen möglich sein,
weil er als ein päpstlichen (wenn auch vielleicht nicht ganz offizieller) Brauch wahrgenommen
wurde. Nach den Spuren eines >Sakralkönigtums< in Altarsetzungen zu suchen, scheint dem-
zufolge völlig aussichtslos zu sein.« (S. 290f.). Bojcov beruft sich hierfür auf die »chronologi-
schen Übereinstimmungen«: Nachdem »das Mißverständnis mit den Daten« beseitigt sei, trete
die »historische Logik der Verbreitung des Rituals« deutlich zu Tage. Gerade die hier als ent-
scheidendes Argument angeführte - von Bojcov etablierte - Abfolge der Ereignisse ist jedoch in
Frage zu stellen. Der erste quellenmäßig fassbare Fall ist nämlich die Wahl Johannes XXII. 1316
(S. 284), wobei bereits diese Nachricht nicht über jeden Zweifel erhaben scheint. Dass das römi-
sche Volk 1378 den ihm präsentierten (vermeintlichen) Papst auf den Altar erhob, sei nach Boj-
cov kaum denkbar, wenn die Altarsetzung zu diesem Zeitpunkt »nicht schon eine völlig übli-
che Angelegenheit gewesen wäre« (S. 285). Da die Päpste allerdings erst kurz zuvor nach
jahrzehntelanger Abwesenheit wieder nach Rom zurückgekehrt waren, folge »zwangsläufig als
letztmöglicher Zeitpunkt für die Römer, Wahl und Krönung eines Papstes« erlebt zu haben, die
 
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