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Büttner, Andreas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weg zur Krone Titelzusatz:: Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 35,2: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34719#0257

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692

Rituale der Herrschererhebung

Schluss einer jeden Herrschererhebung dar, so dass noch Jahre später eine Durchfüh-
rung des Rituals geboten erschien. Wie der geringe Aufwand, der von den Herrschern
zur Verbreitung und Inszenierung ihrer nachträglichen Thronbesteigung betrieben
wurde, deutlich macht, ging es dabei nur sehr eingeschränkt um das Erreichen einer
breiten, reichsweiten Öffentlichkeit oder um direkte Legitimitätssteigerung und Pres-
tigegewinn. Stattdessen scheint eher die Befolgung der zu einem rechtmäßigen Herr-
schaftsbeginn erforderlichen rituellen Handlungen im Zentrum gestanden zu haben.
Neben der Königswahl und der darauffolgenden Altarsetzung gehörte hierzu eben jene
Thronsetzung in Aachen, ganz gleich ob bereits zuvor eine Krönung an diesem oder an
einem anderen Ort stattgefunden hatte.
Ähnlich wie die einzelnen Kurstimmen aufaddiert werden konnten und mussten,
bis Einstimmigkeit erzielt war, war auch die Inthronisation auf den Karlsthron unbe-
dingt nötig, um hinsichtlich des Ritualkomplexes der Königskrönung Vollständigkeit
erreicht zu haben. Jede der nachträglichen Thronsetzungen hatte ihre eigenen Hinter-
gründe und spezifischen Ausprägungen, doch bleibt als Gemeinsamkeit die Durchfüh-
rung an sich: Keiner der drei Herrscher beabsichtigte, seine ursprüngliche Herrscherer-
hebung zu entwerten, diese sollte vielmehr zu ihrem rechtmäßigen Abschluss gebracht
werden. Die römisch-deutschen Könige des Spätmittelalters spürten offenbar eine
starke Verpflichtung, mindestens einmal in ihrem Leben den Thron Karls des Großen
wortwörtlich besessen zu haben. Diese >Macht des Rituals< war es, die sie auch nach der
bereits erfolgreich bewerkstelligten Anerkennung im Reich noch einmal jene Traditions-
stätte aufzusuchen ließ, um die dort üblichen Rituale zu vollziehen.

6.7.5 Krönung der Königin
Ist mit den obigen Sequenzen der Ritualkomplex der Königskrönung zusammenfas-
send behandelt worden, so sollen im Folgenden noch zwei Einzelaspekte näher zur
Sprache kommen, die beide interessante Einblicke in die Entwicklung dieses Rituals
ermöglichen: Die Krönung der Königinnen sowie die weitere Entwicklung des Krö-
nungsrechts im Spätmittelalter.
Im Früh- und Hochmittelalter kam es häufig vor, dass die Krönung der Königin
getrennt von der ihres Mannes an einem anderen Ort stattfand, während sie bei unver-
heirateten Herrschern mit der Hochzeit verbunden wurde beziehungsweise dieser um
eine gewisse Zeit vorausging.'^ Die beiden Formen der getrennten und gemeinsamen
Weihe blieben auch im Spätmittelalter relevant. Ansonsten ließ jedoch allein Karl IV.
seine späteren Frauen zu Königinnen krönen, und zwar stets bei einem Besuch in Aa-
chen und nicht bereits bei oder im Vorfeld der Hochzeit.
Der Regelfall war im Spätmittelalter somit die gemeinsame Krönung des königli-
chen Paares zu Beginn des Herrschaftsantritts. Die einzigen Ausnahmen, die Frauen
der Habsburger Albrecht und Friedrich, erklären sich aus den spezifischen Umständen

132 Siehe hierzu insgesamt KRULL, Salbung und Krönung, hier besonders S. 41-57 und FössEL, Kö-
nigin, S. 17-49, besonders S. 30f. und 35-42. Im Hinblick auf das Spätmittelalter unzureichende
beziehungsweise fehlerhafte Angaben wurden an den entsprechenden Stellen der hier vorlie-
genden Arbeit ergänzt und korrigiert.
 
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