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Büttner, Andreas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weg zur Krone Titelzusatz:: Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 35,2: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34719#0313

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Verhältnis von Wahl und Krönung

Darüber hinaus wurde bei der Aufzählung der einzelnen Reiche außerdem zwischen
gekrönten und gesalbten Königen (reges, coronanfw ei znMUgMnfMr) und gekrönten,
aber ungesalbten Herrschern coronanfw ei non znnngnnfnr) unterschieden.^
Dementsprechend wurde im Streit der werdenden europäischen Nationen um die
zeremonielle Vorrangstellung auf dem Konzil von Basel von den Engländern gerade die
Salbung herangezogen, um ihren Sitzplatz gegenüber den kastilischen Ansprüchen zu
verteidigen.^' Als der Bischof von Burgos zum Beweis der englischen Unterlegenheit
anführte, England müsse Wein und Öl importieren, gab dies dem englischen Sprecher
seinerseits die Möglichkeit, dem Vorwurf die fehlende Salbung der kastilischen Könige
entgegenzustellen. Falls sie dieses Recht überhaupt erhalten hätten, sei dies später als in
England geschehen, so dass sie unmöglich den ehrenvolleren Sitzplatz beanspruchen
könnten: Wie man erst nach der Weihe wirklich von einem Bischof und nicht mehr von
einem Kleriker und Bestätigten (dencMS ct coyt/zrtTMfMs) sprechen könne, so gelte dies
auch für den früher gesalbten König im Vergleich zum später oder überhaupt nicht Ge-
salbten. Zur Verstärkung des Arguments wurden ferner die Salbstellen herangezogen:
In Anlehnung an die Ausführungen Innozenz' III. behauptete man, dass allein die eng-
lischen und französischen Könige am Kopf gesalbt würden und hierdurch außerdem
ihre Fähigkeit zur Krankenheilung erhielten. Zwar war die Salbung nur eines von vie-
len Argumenten,^ doch konnte sie im 15. Jahrhundert offenbar immer noch dazu die-
nen, den sakralen Charakter des Königtums zu betonen - wenn auch in gänzlich ande-
rem Maße als einige hundert Jahre zuvor.

7.3.2 Der deutsche Thronstreit an der Kurie (1198,1257)
Eine zeitliche Zwischenstellung in der im Zusammenhang mit der Salbung aufgezeig-
ten Entwicklung nehmen die Rechtsstreite ein, die nach den Doppelwahlen von 1198
und 1257 an der Kurie ausgetragen wurden. Bei ihrer Behandlung ist vornehmlich da-
nach zu fragen, welche Rolle Wahl und Krönung in der Argumentation der Prätenden-
ten wie der Päpste spielten. Die tatsächlichen Ursachen für die Entscheidungen waren
komplexer und vor allem politischer Natur, doch kam gerade den rituellen Akten der
Herrschererhebung in den päpstlichen Urteilsbegründungen eine herausragende Be-
deutung zu.
Nach dem Abschluss der Königserhebungen von 1198 sandten beide Könige und
ihre Wähler Boten an die Kurie und schilderten die Umstände ihres Herrschaftsan-
trittsA'' Entscheidende Argumentationslinien waren dabei die rechtmäßige Wahl und
Krönung, kaum jedoch die Verwendung der Reichsinsignien, wie in der Forschung

coMSMetHdine pe? ex pndzlegzö, Mt rex Scocz'e, t?M;' a& ecctesta Romana & nopo /zaHnt tempore loazzzzz's
pape XXII., poMfzfz'cafMS SMZ anno Xllll., t?Mod possz't z'zzMMgz et corozzarz.
326 Ebd., S. 385. Vgl. auch unten, Kapitel 8, Anm. 33.
327 Vgl. zum Folgenden LiNEHAN, The King's Touch, S. 190f.
328 Siehe ebd., S. 191 sowie HEiMPEL, Sitzordnung und Rangstreit, S. 5.
329 Kempf (Hg.), Regestum Innocentii III papae super negotio Romani imperii, Nr. 3, 7-10, 12 und
14. Zu den Verhandlungen in Rom vgl. KRiEB, Vermitteln und Versöhnen, S. 76-78.
 
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