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Büttner, Andreas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weg zur Krone Titelzusatz:: Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 35,2: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34719#0227

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662

Rituale der Herrschererhebung

Der Überblick über die verschiedenen historischen Kontexte und Bedeutungszu-
schreibungen macht deutlich, dass die allein seligmachende und jede andere Erklärung
ausschließende Bedeutung der Altarsetzung nicht zu finden sein wird. Auch die Suche
nach dem Ursprung des Rituals wird ohne die Erhellung der Entstehungsgeschichte
und der gegenseitigen Beeinflussungen der verschiedenen Formen wohl kaum erfolg-
reich sein - ohnehin wäre zu fragen, welchen Mehrwert eine solche gelehrte moderne
Erklärung bringen würde, wenn diese für den historischen Einzelfall keine Relevanz
besitzt.^
Geht man von dem hier behandelten Herrschaftsantritt des römisch-deutschen
Königs aus, so stellt sich die Altarerhebung als der Versuch dar, die im Spätmittelalter
an Bedeutung gewinnende Wahl mit einem rituellen Abschluss zu versehen. Dieser er-
hielt angesichts der häufig umstrittenen und schwierigen Herrscher Wechsel schon bald
besonderes Gewicht, da er von der eigentlichen Wahlhandlung getrennt wurde und so
zunehmend als eigenständiges Ritual erscheinen musste. Auch wenn die von Fritz Rie-
ger dargebotene Sichtweise eines sehr bald seiner ursprünglichen Bedeutung entleer-
ten Rituals zu weit geht, so muss doch bedacht werden, welch hoher Wert der Befol-
gung des alten Herkommens beigemessen wurde. Gut möglich ist daher, dass das
Ritual eine gewisse Eigenwirkung entfaltete: Die Tradition rechtfertigte den weiteren
Vollzug. So konnten später auch Königinnen tatsächlich oder fiktiv auf den Altar erho-
ben werden, Stellvertreter den Platz des Gewählten einnehmen oder nur unzureichend
informierten Zeitgenossen eine Durchführung an einem anderen Ort als Frankfurt
möglich erscheinen.
Die Altarsetzung erfuhr nach ihrem erstmaligen Auftreten eine Entwicklung zu
einem eigenständigen Handlungskomplex, sie war nicht mehr unmittelbarer Baustein
des Wahlrituals, sondern konnte ebenso mit dem (Erst-)Einzug des Königs verbunden
werden. Dies zeigen auch die früh auftauchenden normativen Quellen, die offenbar alle
im Bartholomäusstift selbst entstanden und anders als die Krönungsordines keine wei-
tere Verbreitung fanden. Die Altarsetzung wurde sehr bald - oder vielleicht sogar von
Anfang an - als kirchlicher Akt verstanden, der durch Gebete und das Besprengen mit
Weihwasser eingeleitet und mit dem Ende des Te Deum abgeschlossen wurde. Auch
wenn die Entstehungsumstände der normativen Regelungen des Ablaufs nicht mit letz-
ter Sicherheit bestimmbar sein dürften, so konnte doch bereits von Fritz Rieger wahr-
scheinlich gemacht werden, dass sie im Vorfeld der jeweiligen Akte und im Hinblick
auf die spezifischen Anforderungen entstanden. Schließlich müssen für die Wirkung
des Rituals auch die veränderten räumlichen Umstände in Betracht gezogen werden:
Während für 1308 und 1314 durchaus von einem öffentlichen oder zumindest halb-
öffentlichen Akt gesprochen werden kann, wurde durch die Verlegung in den Chor der
Bartholomäuskirche mit seinem steinernen Lettner später ein abgetrennter Ritualraum
geschaffen, was Zugang, Teilnahme und Wahrnehmbarkeit stark begrenzte.
Für die Herrschererhebung als Ganzes kam der Altarsetzung gerade bei strittigen
Herrscherwechseln besondere Bedeutung zu, musste die Anerkennung des Gewählten
durch die Wahlstadt doch eine gewisse Signalwirkung für die umliegenden Reichs-

32 In diesem Zusammenhang sei auf BLOCH, Apologie der Geschichtswissenschaft, S. 33-40 (»Der
Götze Ursprung«) verwiesen.
 
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