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Büttner, Andreas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weg zur Krone Titelzusatz:: Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 35,2: Ostfildern, 2012

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34719#0239

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Rituale der Herrschererhebung

Ernst Schubert hat nicht zu Unrecht auf die anhaltende Bedeutung der Rhenser
Thronsetzung im 15. Jahrhundert hingewiesen und sie als »Ausdruck der kurfürst-
lichen Repräsentanz für den Wahlcharakter des Reiches« gedeutet.^ Es muss jedoch
auffallen, dass jener Handlung zu keinem Zeitpunkt größeres Gewicht beigemessen
wurde, so dass mit Julius Weizsäcker davon ausgegangen werde kann, dass man ver-
suchte, die »Form ohne Inhalt« mit neuer Bedeutung zu füllen.^' Durch seinen schnel-
len Aufstieg im 14. Jahrhundert zu einer der Traditionsstätten des Reichs gelangte der
Ort zu besonderem Ansehen, das ihm trotz der nun wieder regelmäßig in Frankfurt
stattfindenden Wahlen weiterhin zugestanden wurde. Als neue rituelle Form fand sich
daher das Besteigen des Stuhls durch den Neugewählten während seiner Reise nach
Aachen, später ergänzt um eine Eidesleistung. Uber den genauen Sinn dieser Handlung
herrschte offenbar keine einheitliche Vorstellung, doch verbot die in Form des Thrones
steingewordene Erinnerung an die einstige Bedeutung des Ortes, an jener Stätte ein-
fach vorrüberzufahren.
Weder Karl V. noch Ferdinand I. passierten jedoch auf ihrem Weg zur Krönung
den Königsstuhl, so dass die begonnene Tradition nicht weiter ausgestaltet und fort-
gesetzt wurde. Da alle weiteren Krönungen der Frühen Neuzeit nicht mehr in Aachen,
sondern bereits am Wahlort selbst erfolgten, endete die reichsweite Bedeutung des
Rhenser Königsstuhls mit dem Kurzbesuch Maximilians am 30. März 14867' Statt der
römisch-deutschen Könige wurden in der Folgezeit an jenem Ort die Bürgermeister der
Stadt Koblenz in ihr Amt eingeführt,^ bevor die ehrwürdige Traditionsstätte zu Beginn
des 20. Jahrhunderts einem Industriebetrieb weichen musste. So vergeht der Glanz der
Welt, ist man versucht zu sagen, doch findet der an höher gelegener Stelle wiederaufge-
baute Königsstuhl auch heute noch regelmäßige Verwendung in Form der jedes Jahr am
21. August stattfindenden feierlichen Kanzlerwahl der »Kaiser-Ruprecht-Bruderschaft«,
die sich hiermit in die Tradition der - wohlgemerkt - Königswahl Ruprechts von der
Pfalz stelltA

79 SCHUBERT, Königswahl und Königtum, S. 335.
80 Vgl. WEizsÄCKER, Rense als Wahlort, S. 59-65, das Zitat S. 61. Abzulehnen ist jedoch Weizsäckers
Vergleich mit der Altarsetzung, da dieser zu stark von dem negativen Urteil Fritz Riegers beein-
flusst ist (S. 61, Anm. 2).
81 Noch 1562 war das alte Herkommen der Thronbesteigung bekannt, doch entfiel wegen der am
Wahlort vorgenommenen Krönung die Notwendigkeit der Reise von Frankfurt über Rhens
nach Aachen (vgl. ebd., S. 65f.).
82 ScHNiTZLER, Rhens, S. 2. Am zweiten Pfingsttag jeden Jahres gaben die jährlich wechselnden
Bürgermeister in Rhens ein Festessen, das mit einem Volksfest endete (DiLLMANN, Rhens, S. 11).
83 http://www.kaiser-ruprecht-bruderschaft.de/veranstaltungen.htm (vidi 07.05.2010).
 
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