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Verhältnis von Wahl und Krönung
Vergleicht man die Titulatur, den Zeitpunkt der Aufnahme der Regierungsjahre in
die Datierung und den hierfür gewählten Epochentag, zeigen sich gewisse Parallelen.
So geht die Bezeichnung als decfüs im Zeitraum zwischen Wahl und Krönung in der
Regel mit der Präferenz des Krönungstages einher, mit dem auch die Regierungsjahre
aufgenommen wurden. Wurde der Wahl besondere Bedeutung zugeschrieben, wirkte
sich dies zumeist ebenfalls auf alle drei Aspekte gleichzeitig aus. Eine gewisse Aus-
nahme bildet hier Philipp von Schwaben, doch gilt es zu bedenken, dass der decfüs-Titel
als Selbstbezeichnung der römisch-deutschen Könige erst seit Friedrich II. gebraucht
wurde.
Hinsichtlich des Epochentags ist für das 13. bis 15. Jahrhundert ein Oszillieren
zwischen Wahl und Krönung zu beobachten, was zunächst stark durch den Kontext der
Herrschererhebung beeinflusst wurde: So rechneten die nicht oder zunächst nicht in
Aachen gekrönten Könige Philipp von Schwaben, Heinrich Raspe und Alfons von Kas-
tilien ihre Regierungstage von der Wahl an, Otto IV., Wilhelm von Holland und Richard
von Cornwall hingegen von der Krönung. Der gefühlte (Philipp) oder offensichtlich be-
stehende (Heinrich Raspe, Alfons) Mangel wurde so entkräftet beziehungsweise un-
kenntlich gemacht, während diejenigen Herrscher, die über die Legitimation durch die
Krönung verfügten, sich gerade auf diesen herrschaftsbegründenden Akt beriefen: Die
Wahl war im 13. Jahrhundert im Vergleich zur Krönung zunächst eben doch nur >zweite
Wähle
Die auf das Interregnum folgenden Herrscher Rudolf, Adolf und Albrecht gaben
hingegen der Erwählung durch die Kurfürsten den Vorrang, worauf Heinrich VII., Lud-
wig IV. und Friedrich von Habsburg wieder die Krönung hervorhoben. Dies ist aller-
dings vor allem auf die Macht und Bedeutung des Kölner Erzbischofs Heinrich II. von
Virneburg zurückzuführen, der in diesen Jahren in besonderem Maße als Königs-
macher auf treten und seine Ansprüche durchsetzen konnteV Seit dem Herrschaftsan-
tritt Karls IV. stellte stets die Wahl den Epochentag dar und nahm damit die ihr durch
das Rhenser Weistum und die Goldene Bulle zugeschriebene Vorrangstellung einV"
Einzig unter Wenzel kam es noch einmal zu einer Orientierung an der Krönung, was
auf die Erhebung zu Lebzeiten des Vaters zurückzuführen sein dürfte.'^'
Bezieht man in die vergleichende Betrachtung mit ein, dass die Abweichungen der
Jahre 1309 und 1314 der besonderen Stellung des Kölner Erzbischofs geschuldet waren,
so steht dieses Vorgehen für das gesamte Spätmittelalter seit 1273 allein da. Überspitzt
ließe sich daher formulieren, dass, seitdem es das ausgebildete Kurfürstenkolleg gab,
die Wahl und nicht die Krönung die Grundlage für die Berechnung der Regierungs-
jahre dar stellte. Die Herrschaft begann mit der Wahl, beziehungsweise, so die Weiter-
134 Auf Seiten Ludwigs IV. schwankte man im ersten Regierungsjahr noch zwischen Wahl und
Krönung, doch entschloss man sich auch hier schließlich für ein Anknüpfen an die Tradition
Heinrichs VII.
135 Siehe dazu unten, Kapitel 7.3.3.
136 Anders ERKENS, Der Erzbischof von Köln, S. 98, der betont, dass »König Wenzel im Gegensatz zu
seinem Vater ... noch einmal zur Zählung von der Krönung an« zurückkehrte. Nicht richtig ist,
dass sich »erst seit der Regierung ... Sigismunds« die Rechnung von der Wahl an endgültig
einbürgerte: Dies war bereits seit Ruprecht von der Pfalz der Fall. Im Folgenden wird außerdem
vorgeschlagen, die Herrschererhebungen von 1309,1314 und 1376 insgesamt eher als Ausnahme
der seit 1273 bestehenden Vorrangstellung der Wahl zu verstehen.
Verhältnis von Wahl und Krönung
Vergleicht man die Titulatur, den Zeitpunkt der Aufnahme der Regierungsjahre in
die Datierung und den hierfür gewählten Epochentag, zeigen sich gewisse Parallelen.
So geht die Bezeichnung als decfüs im Zeitraum zwischen Wahl und Krönung in der
Regel mit der Präferenz des Krönungstages einher, mit dem auch die Regierungsjahre
aufgenommen wurden. Wurde der Wahl besondere Bedeutung zugeschrieben, wirkte
sich dies zumeist ebenfalls auf alle drei Aspekte gleichzeitig aus. Eine gewisse Aus-
nahme bildet hier Philipp von Schwaben, doch gilt es zu bedenken, dass der decfüs-Titel
als Selbstbezeichnung der römisch-deutschen Könige erst seit Friedrich II. gebraucht
wurde.
Hinsichtlich des Epochentags ist für das 13. bis 15. Jahrhundert ein Oszillieren
zwischen Wahl und Krönung zu beobachten, was zunächst stark durch den Kontext der
Herrschererhebung beeinflusst wurde: So rechneten die nicht oder zunächst nicht in
Aachen gekrönten Könige Philipp von Schwaben, Heinrich Raspe und Alfons von Kas-
tilien ihre Regierungstage von der Wahl an, Otto IV., Wilhelm von Holland und Richard
von Cornwall hingegen von der Krönung. Der gefühlte (Philipp) oder offensichtlich be-
stehende (Heinrich Raspe, Alfons) Mangel wurde so entkräftet beziehungsweise un-
kenntlich gemacht, während diejenigen Herrscher, die über die Legitimation durch die
Krönung verfügten, sich gerade auf diesen herrschaftsbegründenden Akt beriefen: Die
Wahl war im 13. Jahrhundert im Vergleich zur Krönung zunächst eben doch nur >zweite
Wähle
Die auf das Interregnum folgenden Herrscher Rudolf, Adolf und Albrecht gaben
hingegen der Erwählung durch die Kurfürsten den Vorrang, worauf Heinrich VII., Lud-
wig IV. und Friedrich von Habsburg wieder die Krönung hervorhoben. Dies ist aller-
dings vor allem auf die Macht und Bedeutung des Kölner Erzbischofs Heinrich II. von
Virneburg zurückzuführen, der in diesen Jahren in besonderem Maße als Königs-
macher auf treten und seine Ansprüche durchsetzen konnteV Seit dem Herrschaftsan-
tritt Karls IV. stellte stets die Wahl den Epochentag dar und nahm damit die ihr durch
das Rhenser Weistum und die Goldene Bulle zugeschriebene Vorrangstellung einV"
Einzig unter Wenzel kam es noch einmal zu einer Orientierung an der Krönung, was
auf die Erhebung zu Lebzeiten des Vaters zurückzuführen sein dürfte.'^'
Bezieht man in die vergleichende Betrachtung mit ein, dass die Abweichungen der
Jahre 1309 und 1314 der besonderen Stellung des Kölner Erzbischofs geschuldet waren,
so steht dieses Vorgehen für das gesamte Spätmittelalter seit 1273 allein da. Überspitzt
ließe sich daher formulieren, dass, seitdem es das ausgebildete Kurfürstenkolleg gab,
die Wahl und nicht die Krönung die Grundlage für die Berechnung der Regierungs-
jahre dar stellte. Die Herrschaft begann mit der Wahl, beziehungsweise, so die Weiter-
134 Auf Seiten Ludwigs IV. schwankte man im ersten Regierungsjahr noch zwischen Wahl und
Krönung, doch entschloss man sich auch hier schließlich für ein Anknüpfen an die Tradition
Heinrichs VII.
135 Siehe dazu unten, Kapitel 7.3.3.
136 Anders ERKENS, Der Erzbischof von Köln, S. 98, der betont, dass »König Wenzel im Gegensatz zu
seinem Vater ... noch einmal zur Zählung von der Krönung an« zurückkehrte. Nicht richtig ist,
dass sich »erst seit der Regierung ... Sigismunds« die Rechnung von der Wahl an endgültig
einbürgerte: Dies war bereits seit Ruprecht von der Pfalz der Fall. Im Folgenden wird außerdem
vorgeschlagen, die Herrschererhebungen von 1309,1314 und 1376 insgesamt eher als Ausnahme
der seit 1273 bestehenden Vorrangstellung der Wahl zu verstehen.