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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0015

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A. Einführung

qualitativ abzustufen. Auf diese Weise wird zum Einen dem mittelalterlichen
Sprachgebrauch Rechnung getragen, der weder im deutschen Reich noch in
Polen oder Ungarn eine einheitliche Terminologie zur Benennung politischer
Versammlungen aufwies.' ' Zum Anderen soll davon abgesehen werden, die
vor allem in der deutschen Forschung geführte Diskussion über die eindeutige
Definition >des Reichstags< um einen Versuch zu erweitern, die Fülle politischer
Versammlungen nach Maßgaben der Organisation und eines in Beschlüssen
greifbaren Erfolgs zu kategorisieren und diese Unterschiede mit klaren Be-
griffsbestimmungen zu verbinden.^ Anstelle einer möglichst exakten Typo-
logisierung politischer Versammlungen und ihrer Zuordnung zu bestimmten
Kategorien steht deshalb die quellennahe Beschreibung politischer Willensbil-
dung im Zentrum, das »Erfassen und Charakterisieren der Verfassung des [je-
weiligen, J.D.] Reichs in ihren vielfältigen Wandlungen.«^

I. Forschungsstand und Untersuchungskonzeption
Von einem derart offenen Ansatz ausgehend sind freilich Eingrenzungen,
Rahmungen und ein möglichst präzises Untersuchungsinstrumentarium er-
forderlich, um die systematische Untersuchung von Reichsversammlungen
gewährleisten zu können. In der vorliegenden Arbeit werden die Reichsver-
sammlungen berücksichtigt, die während des Königtums (bzw. Kaisertums im
Falle Friedrichs III.) von Kazimierz IV. (1447-1492), Mätyäs Hunyadi (1458-
1490) und Friedrich III. (1440-1493) abgehalten wurden. Der gewählte Unter-
suchungsraum wird somit durch die jeweilige Herrschaft und die in jener Zeit

13 Zur jeweiligen Terminologie vgl. die Ausführungen in Kapitel B.I. (Polen), C.I. (Ungarn) sowie
D.I. (deutsches Reich). Dieser Zugriff erlaubt zudem die synonyme Verwendung der Begriffe
>Reichsversammlung<, >Reichstag<, allgemeine Versammlung bzw. Zusammenkunft, die in
Anlehnung an die einschlägigen Quellenbegriffe (z.B. conwnü'o oder diaUa ycncnzüs etc.) ge-
wählt wurden.
14 Ausführlich wurde diese Diskussion von Gabriele Annas dargestellt und problematisiert. Vgl.
ANNAS, Hoftag 1, bes. S. 98-136.
15 BuscHMANN, Heiliges Römisches Reich, S. 12. Dennoch sei zumindest knapp auf die einfluss-
reichen Typologiekonzepte von Otto Hintze und Wim Blockmans verwiesen. So unterschied
Otto Hintze mit dem Zwei- und dem Dreikammersystem zwei Idealtypen ständischer Ver-
sammlungsformen, denen er die Zusammenkünfte einzelner europäischer Länder zuzuord-
nen versuchte. In der (Nicht-)Zugehörigkeit der Länder zum Karolingischen Reich erkannte
er das über die Kurienform ausschlaggebende Moment. Hintze sah die Zweikammerorganisa-
tion als Grundlage des frühneuzeitlichen Parlamentarismus, die Dreikammerform dagegen
als Basis des Absolutismus an. Vgl. HiNTZE, Typologie der ständischen Verfassungen. In Wei-
terentwicklung der Thesen Hintzes ging Blockmans nicht allein von der Porm der Repräsenta-
tion aus, sondern berücksichtigte vor allem die Arbeitsweise und Punktion der Versamm-
lungen sowie die sozialen und wirtschaftlichen Strukturen des jeweiligen Landes. Pür die
Zuordnung der Zusammenkünfte unterschied er ländlich geprägte und urbanisierte Gesell-
schaften. BLOCKMANS, Typology. Vgl. auch die Überlegungen von Kazimierz Orzechowski zur
Klassifizierung schlesischer Ständeversammlungen nach strukturellen Kriterien: ORZECHOw-
SKi, Ogolnoslqskie zgromadzenia.
 
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