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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0026

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B. Polnische Reichs Versammlungen

I. Herrschaft und Ordnungsgefüge
1.1. Das Königreich Polen im 14. und 15. Jahrhundert
Die lange Tradition verschiedenartiger Versammlungen und Tage im pol-
nischen Königreich spiegelt sich in der Menge und Vielfalt der in den Quellen
verwendeten Termini: coHotjMZMm, congregaho, conucnfMS oder coywcnüo, consz-
fzlzzzz, dzcs, jUzzzTzzzzzcnhzzzz - mit diesen und weiteren Begriffen wurden Zusam-
menkünfte des Herrschers mit einem Kreis von Getreuen und Untertanen be-
zeichnet.^ Sowohl aufgrund der mitunter recht kargen Quellenlage als auch we-
gen der Uneinheitlichkeit der Quellenbegriffe sind die Unterschiede zwischen
den verschiedenen Versammlungen jedoch nicht immer eindeutig darzulegen.^
Um die belegten, offenbar verschiedenen Arten von Zusammenkünften den-
noch greifen zu können, entwickelte der polnische Historiker Stanislaw Rus-
socki in den 1970er Jahren eine Typologie »vorständischer« Versammlungen.
Dabei unterschied er Zusammenkünfte des Herrschers mit den ersten Herren
des Reichs, zahlreich besuchte Versammlungen anlässlich der Inthronisierung
eines neuen Königs, regelmäßige Tage und schließlich Versammlungen in au-
ßergewöhnlichen Situationen.^
Während der Herrschaft der beiden letzten Könige der Piastendynastie,
Wladyslaw I. Tokietek (1320-1333) und Kazimierz III. Wielki (1333-1370),
dienten Versammlungen vor allem der Ausübung der königlichen Jurisdiktion
oder der Unterstützung des Königs in den verschiedenen Provinzen des König-
reichs; wohl selten wurden zur Beratung akuter Probleme Zusammenkünfte in
einem größeren Personenkreis einberufen.^ Zu einer wichtigen Beratungsform
entwickelte sich vielmehr das Treffen des Königs mit den Herren des Kronrats,
dem in erster Linie geistliche und weltliche Magnaten angehörten, die vom Kö-
nig selbst ernannt wurden. Dabei handelte es sich um die Angehörigen weni-
ger Familien des polnischen Adels (Szlachta), die aufgrund umfangreichen Be-

1 Vgl. RussocKi, Zgromadzenia przedstanowe sowie BARCiAK, Tage und Debatten, S. 1. Auf eine
ausführliche Darstellung der beinahe unüberschaubaren bisherigen Forschungen zur Entste-
hung und Ausprägung des Sejms wird in dieser Arbeit verzichtet; stattdessen werden jeweils
themen- und phänomenbezogen einzelne Thesen vorgestellt. Für einen forschungsgeschicht-
lichen Überblick vgl. aber z.B. BARDACH, O stawaniu si§ sowie BÖMELBURG, Forschungen zur
Ständegeschichte.
2 Wie Roman Sobotka für die »Annales« von Jan Dlugosz aufzeigte, verwendete dieser unter-
schiedliche Begriffe zur Beschreibung der Reichsversammlung (Sejm) bzw. gleiche Begriffe für
Sejm und Landtage. Vgl. SoBOTKA, Roczniki Jana Dlugosza, S. 35. Bei dieser Arbeit handelt es
sich um eine unveröffentlichte Magisterarbeit, die mir der Autor freundlicherweise zur Verfü-
gung gestellt hat. Vgl. zu dieser Frage auch BARDACH, Sejm dawnej Rzeczypospolitej, S. 12.
3 RussocKi, Zgromadzenia przedstanowe, S. 8f.
4 RussocKi, Parliamentary Systems, S. 8f. Zur Entwicklung des polnischen Königreichs unter
der Herrschaft der Piasten vgl. MÜHLE, Piasten.
 
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