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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0078

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IV. Im Gedächtnis der Zeit: Historizität und Wahrnehmung

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1468 regelmäßig zwei Vertreter jedes Landes für den Besuch des Sejms gewählt
und entsendet wurden, und sich das Gesandtenwesen und die Landbotenkam-
mer somit bereits im 15. Jahrhunderts ausformten.'" Adolf Pawinski hinge-
gen kritisierte diese Thesen unter Verweis auf die uneindeutige Wortwahl von
Dlugosz. So könnte dieser sich auch einzig auf das Krakauer Gebiet, in dem
die Versammlung ja abgehalten wurde, bezogen haben/"" Obgleich Pawinskis
Schlussfolgerung, dass nämlich die einflussreichen Krakauer Länder bei dem
darauf folgenden Sejm nur durch zwei Personen vertreten waren, wenig plausi-
bel erscheint, war sein Verweis auf die mangelnde Bestimmtheit der Quelle von
entscheidender Bedeutung. Weder werden in den hier vorgestellten Quellen
Details des Geschehens ersichtlich (z.B. die Definition der dzsfnch 1468 oder der
Modus der Beschlussfassung 1453), noch kann aus ihnen geschlossen werden,
dass sich der Sejm seitdem kontinuierlich in zwei Gremien gliederte, von de-
nen das eine aus gewählten Gesandten der Länder bzw. ihrer Versammlungen
bestand. Nachweislich nahmen Gesandte der Länder an zahlreichen Zusam-
menkünften des Sejms unter Kazimierz IV. teil; eine Regelmäßigkeit oder gar
eine institutionalisierte Einbindung in das Versammlungsgefüge (z.B. in Form
einer eigenen Kammer) kann jedoch erst seit dem ausgehenden 15. Jahrhun-
dert eindeutig belegt werden/

IV.2. Der Sejm in zeitgenössischen Perspektiven - Außen- und Innensichten
Uber die Bedeutung, die dem Sejm als zentraler Versammlung im politischen
Alltag< zukam, geben neben Gesetzestexten oder politischen Entscheidungs-
prozessen vor allem Einschätzungen, Argumentationen und Bewertungen der
Zeitgenossen Aufschluss. Eine klare Unterscheidung in Außen- und Innen-
sichten, in Perspektiven der Akteure, die das Sejmgeschehen als auswärtige Be-
obachter kommentierten und derjenigen Personen, die an den Verhandlungen
beteiligt waren, gestaltet sich freilich schwierig. So zeigt sich gerade im Hin-
blick auf den Sejm, dass die Übergänge von >Außen-< zu >Innensichten< durch-
aus fließend sein konnten. Der politischen Binnengesellschaft< lassen sich mit
Recht diejenigen Personen zurechnen, welche die Sitzungen des Sejms - auf
königliche Einladung hin, oder auch ohne eine solche - besuchten und diese

199 So etwa MiCHAL BoBRZYNSKi, Dzieje Polski w zarysie, S. 250 oder WiTOLD KNOPPER, Zmiany
w ukladzie sil, S. 77-90. Vgl. darüber hinaus die Erläuterungen von URuszczAK, Poselstwo
sejmowe, S. 53f.
200 PAwiNSKi, Sejmiki ziemskie, S. 113.
201 Vorsichtiger und durchaus treffend sprach Juliusz Bardach in Bezug auf die beiden Gremien
von 1453 deshalb von einem »Prototyp des Zweikammersystems«, vgl. BARDACH, O genezie
sejmu polskiego, S. 534. In der einschlägigen Forschungsliteratur gilt der Sejm von 1493 als er-
ster ausgebildeter Zweikammer-Sejm, eine Annahme, die sich auf die Aufzählung der an der
Entscheidung Beteiligten in der Sejm-Konstitution stützt (Einleitung zu den Statuta Ioannis
Alberti regis, Petricoviae anno 1493 promulgata, in: Volumina Constitutionum 1,1, S. 48-54,
hier S. 48: & MiMiu'w; uofo, coMsiüo ef omiÜMm pradatorMiw, IwroMMiw, procenim ef
regm Mosüf üi pracsciiü COMUCMÜOMC coMgragatorMw). Vgl. dazu BARDACH, Poczqtki
sejmu, S. 48 sowie URuszczAK, Poselstwo sejmowe, S. 56.
 
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