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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0216

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IV. Im Gedächtnis der Zeit: Historizität und Wahrnehmung

215

IV. Im Gedächtnis der Zeit: Historizität und Wahrnehmung
IV.l. Die Reichsversammlungen in zeitgenössischen
Perspektiven - Außen- und Innensichten
Im März 1460 wurde der Nürnberger Reichstag von Kardinal Bessarion von
Nicäa, dem Legaten Pius' II., eröffnet. Die Versammlung war zwar von Fried-
rich III. zur Beratung der >Türkenfrage< einberufen worden, ging jedoch auf die
Beschlüsse des ein Jahr zuvor in Mantua abgehaltenen europäischen Fürsten-
kongresses zurück. Dort hatte man vereinbart, ein Heer zahlreicher europä-
ischer Fürsten und Herrscher für einen >Türkenkrieg< aufzustellen und auf
zwei Reichsversammlungen über dessen Organisation und die Errichtung
eines Landfriedens im Reich zu beraten.^ Der von Pius II. im Januar 1460 ins
Reich entsandte Bessarion war insbesondere im Hinblick auf dieses Friedens-
vorhaben instruiert worden: Er sollte sich auf den geplanten Zusammenkünf-
ten um die Stiftung und Bewahrung friedlicher Beziehungen zwischen den
deutschen Fürsten bemühen.^ in seiner Rede zur Eröffnung des Reichstags
appellierte der Kardinal deshalb direkt an die fürstlichen Reichstagsteilneh-
mer, Auseinandersetzungen untereinander abzustellen. Dabei skizzierte er das
Bild eines von inneren Konflikten geprägten Reichs, das sich in diesem Zu-
stand als schädlich für die christliche Gemeinschaft erweise. Ein Zusammen-
wirken und die Organisation einer reichs- bzw. europaweiten >Türkenabwehr<
würden durch die beständigen Kontroversen und Fehden unter den Reichs-
gliedern wesentlich behindert. Aus diesem Grund sollten sich die Fürsten, so
forderte der Kardinal, beispielhaft zur >Türkenbekämpfung< zusammenschlie-
ßen anstelle untereinander Dispute oder Verhandlungen zu führen.^ Wie die
Darlegungen Bessarions zeigen, nahm er das Reich als eine zerstrittene und
fragmentierte politische Gemeinschaft wahr, die sich in vergangenen Jahren
trotz mehrfacher Beratungen und Versammlungen als unfähig erwiesen hatte,
gemeinsame und übergeordnete Ziele wie dasjenige der >Türkenabwehr< zu
verfolgen. Eine derart pejorative Sicht auf das Ordnungsgefüge und die Be-
ratungsgepflogenheiten des Reichs war im 15. Jahrhundert keine Ausnahme.
Mehrfach berichteten sowohl auswärtige Gesandte als auch Reichsglieder, dass
auf den Reichstagen lange und ergebnislose Verhandlungen geführt wurden.
Zugleich legten sie jedoch auch ein starkes Augenmerk auf personelle und pro-

233 Vgl. die Einladung Friedrichs III. an die Stadt Frankfurt, in: Frankfurts Reichscorrespon-
denz 2,1, Nr. 232, S. 142 sowie die Beschlüsse des Fürstenkongresses von Mantua, in: MÜLLER,
Reichstags-Theatrum, III. Vorstellung, S. 748f.
234 Päpstliches Mandat für Kardinal Bessarion, in: MÜLLER, Reichstags-Theatrum, III. Vorstellung,
S. 749f. Vgl. auch Nr. 108, in: IoRGA, Notes et extraits IV S. 177.
235 Non condpdis annwo, non eogdads, pdndpes dinsfres, ^naw nodune, ^nnw graues dnwnosne^ne
reipnMicne cddsh'nnne /nennt et sint edristinnornw pn'ndpnm stwnttntes nhyne dissensiones? Zitiert
nach MoHLER, Kardinal Bessarion III, S. 382. In seiner Erwiderung auf eine Stellungnahme der
Reichstagsteilnehmer rief Bessarion schließlich dezidiert zum Waffengang auf: law tewpns est,
Mt ondssis uedds ad rem uentnwns. Zrnds, nrnds, tn^nnw, opns est, und prnestnntes, non uedds (Ebd.,
S. 384).
 
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