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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0298

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F. Zusammenfassung

Die Ausformung allgemeiner politischer Versammlungen prägte die Geschich-
te und Entwicklung zahlreicher europäischer Reiche im Spätmittelalter. Vor
allem im 15. fahr hundert etablierten sich Foren zur gemeinschaftlichen Wil-
lensbildung, in deren Rahmen der Herrscher und die Mitglieder der politischen
Gemeinschaft des Reichs dessen situative Beiauge berieten und entschieden.
Dieser Prozess der Entwicklung und Verfestigung ist mit Blick auf die Reichs-
versammlungen in Polen, Ungarn und Deutschland Thema der vorliegenden
Untersuchung. Im Mittelpunkt steht die Frage nach den Bedingungen poli-
tischer Willensbildung, nach dem orgauisatorisch-logistischen Rahmen der
Versammlungen, nach den Formen und Mechanismen von Verhandlungen so-
wie dem Verhalten der beteiligten Akteure und schließlich nach der zeitgenös-
sischen Rezeption der Versammlungen.
Die Bezeichnung >politisch< markiert dabei einen Handlungsraum, in dem
um die Herstellung und Durchsetzung von Entscheidungen ebenso wie um
ihre Kommunikation und Durchsetzung gerungen wird. Für die politische
Willensbildung in einem Kollektiv, die Herbeiführung und Umsetzung eines
Beschlusses in einem Umfeld konkurrierender Interessen und Ansprüche, be-
darf es freilich gewisser Grundsätze oder Verfahren, die den Zusammenschluss
der Beteiligten zu einer Handlungsgemeinschaft ebenso wie ihre Handlungen
regeln und ordnen. >Ordnuug< ist deshalb als wesentlicher Bestandteil des Po-
litischen zu verstehen, den es immer wieder zu bestätigen oder neu herzustel-
len gilt. In besonderem Maße lässt sich dies am Beispiel spätmittelalterlicher
Reichsversammlungen aufzeigen, da doch in der Regel weder die politische
Gemeinschaft^ der Kreis der zur Teilhabe berechtigten Personen noch die
Struktur der Zusammenkünfte oder deren Kompetenzen verbindlich festge-
schrieben waren. Vielmehr wurden Maßgaben zur Gliederung und Ordnung
des Gemeinhandelns in Reichsversammlungen fallweise entwickelt. In der Er-
innerung der Zeitgenossen und der Reflexion politischer Verfahren vermoch-
ten solche situativen Festlegungen dann auch für folgende Zusammenkünfte
eine stabilisierende Wirkung zu entfalten.
In Polen trat der Sejm während der Herrschaft von Kazimierz IV. (1447-1492)
beinahe jährlich, mitunter auch zweimal pro fahr zusammen. Seine Zusam-
mensetzung spiegelte die bevorrechtigte Stellung des Adels, der seit dem
14. fahr hundert als Stand über zahlreiche Rechte und vor allem das Privileg der
Befreiung von regulären Steuern verfügte. So wurden die Versammlungen in
erster Finie von Angehörigen des hohen und einfachen Adels besucht; verein-
zelt waren auch Vertreter der preußischen Stände anwesend. Uber die Einberu-
fung und die Teilnahme am Sejm entschied der König, der die Versammlungen
ausschrieb und zu ihrem Besuch aufforderte. Diesen königlichen Einladungen
war unbedingt Folge zu leisten, und entsprechend war ein Fernbleiben von
den Beratungen zu begründen und zu entschuldigen. Für die Partizipation an
der gemeinschaftlichen Willensbildung und auch ganz grundsätzlich für die
 
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