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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0235

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234

D. Deutsche Reichsversammlungen

IV.3. Versammlurtgs Vielfalt
Neben der Auseinandersetzung mit dem Reichstag selbst trug auch die Kon-
frontation mit alternativen Versammlungsformen, mit regionalen oder lokalen
Tagsatzungen zur Schärfung der zeitgenössischen Wahrnehmung politischer
Beratung bei. So wurde im Reich auf verschiedenen Ebenen getagt, verhandelt
und entschieden, im Rahmen von Landtagen in den Territorien ebenso wie im
Kontext von allgemeinen Städtetagen, Zusammenkünften des Schwäbischen
Bundes oder Hansetagen.^ In diesem »Meer ständischer Versammlungs-
formen« stellte der Reichstag, so formulierte es Horst Carl, gleichsam eine
»besonders prominente Erhebung« dar. Abgesehen von strukturellen Faktoren
können diese Zusammenkünfte vor allem hinsichtlich ihrer Ausrichtung unter-
schieden werden. Neben denjenigen Tagen, die »in keinerlei institutionellem
Zusammenhang mit dem Reichstag standen«, zeichnete sich gerade in der Re-
gierungszeit Friedrichs III. auch die Ausformung solcher Versammlungen ab,
die »im Umkreis des sich ausgestaltenden Reichstags reichsständische Zusam-
menkünfte bildeten, die sich auf Reich und Reichstag hin orientierten.«^
Exemplarisch lässt sich diese Entwicklung am Beispiel der Städtetage
aufzeigen, die seit den 1470er Jahren »zum Forum der Absprache einer kor-
porativen Politik der Freien und Reichsstädte« avancierten. Die verstärkte
Absprache und schließlich der Zusammenschluss der Reichsstädte zu einer
eigenen Versammlung erfolgte, das hat Eberhard Isenmann herausgearbeitet,
überwiegend in Reaktion auf die im Rahmen des Reichstags artikulierten und
erörterten kaiserlichen Hilfsforderungen. Tatsächlich war der erste allgemei-
ne Städtetag 1471 zusammengetreten, um die für die Städte ungünstigen Re-
gensburger Steuerbeschlüsse zu beraten. '^ Auch in den folgenden Jahrzehnten

305 Grundlegende Informationen zur Entwicklung des Städtetags bietet nach wie vor die um-
fangreiche Studie von SCHMIDT, Städtetag. Einen Überblick über die Entwicklung der Land-
tage gibt KRÜGER, Die landständische Verfassung. Zur Vertretung auf Hansetagen vgl. die
Fallstudie von DEETERS, Köln auf Reichs- und Hansetagen. Im Schwäbischen Bund hatten
sich auf Bestreben des Kaisers zunächst Reichsstädte und Adelsgesellschatten aus Schwaben
in einem Landfriedensbund zusammengeschlossen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen
Reichs- und Bundestag bestand in dessen Grundlagen und Struktur. Bei dem auf Landfrie-
denseinungen basierenden Bundestag handelte es sich um ein Leitungsgremium gewählter
Vertreter, nicht jedoch um eine Vollversammlung ständischer Vertreter oder Gesandter. Vgl.
dazu CARL, Identische Akteure, S. 31f. sowie DERS., Einungen und Bünde. Auf den Stellenwert
(kur-)fürstlicher Tage und ihren Einfluss auf die Ausformung des Reichstags wird an dieser
Stelle nicht eingegangen. Vgl. dazu die bisherigen Ausführungen in den Kapiteln D.I und D.II.
306 CARL, Identische Akteure, S. 29f.
307 ScHMiDT, Städtetag, S. 7. Vgl. dazu auch IsENMANN, Reichsstadt und Reich, bes. S. 89-141. Die
beschriebene Thematik soll im Folgenden ausschließlich am Beispiel der Städtetage vorge-
stellt werden. Freilich kann allein damit keine Vollständigkeit beansprucht werden; auf eine
Berücksichtigung von Hanse- oder Landtagen wird dennoch verzichtet. Stattdessen sei auf
einschlägige Publikationen verwiesen: KRÜGER, Die landständische Verfassung, ScmPMANN,
Politische Kommunikation in der Hanse oder CARL, Der Schwäbische Bund.
308 Bereits im Verlauf der Verhandlungen hatten die Reichsstädte detailliert ihre Bedenken ge-
gen die kaiserlichen Vorschläge zum >Türkenzug< und seiner Finanzierung vorgelegt. Vgl.
Nr. 120, in: RTA 22,2, S. 797f. Bei der in Regensburg vorgestellten Steuer, der »Decima«, han-
 
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