Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0140

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
IV. Im Gedächtnis der Zeit: Historizität und Wahrnehmung

139

IV. Im Gedächtnis der Zeit: Historizität und Wahrnehmung
IV.l. Die Reichsversammlurtgen in zeitgenössischen
Perspektiven - Außen- und Innensichten
Im Oktober 1475 berichteten die Gesandten Hans Haunold und Lucas Eisen-
reich in einem Brief an die Stadt Breslau von einem Zug des ungarischen Kö-
nigs aus Buda an die ungarisch-osmanische Kampfiinie.'^ Ursprünglich hatte
König Mätyäs, so wussten sie zu berichten, für Ende Oktober einen /tmdzsüzg in
die Umgebung von Buda einberufen; sie befürchteten mit Blick auf die Abreise
des Königs und seines Statthalters Szapolyai deshalb, zur weiteren Informa-
tion m/nmndzs [zu] /zn&zz. Obwohl sie auf die Rückkehr eines der Kronherren
nach Buda und damit auf eine Gesprächsmöglichkeit hofften, schätzten sie die
Aussicht darauf als gering ein, da sich Versammlungen schon oft verzögert hät-
ten.'*^' Der Empfehlung des städtischen Rats folgend, dem an einer möglichst
raschen Beratung der Breslauer Haltung in dieser Frage mit einem Vertreter
des ungarischen Adels gelegen war, kündigten Haunold und Eisenreich ihre
Abreise nach Buda an. Uber aktuelle politische Fragen Ungarns wie auch über
deren Behandlung waren die Breslauer Gesandten, das zeigen ihre knappen
Zeilen, gut informiert. Sie wussten nicht nur von der Abreise des Königs und
der Einberufung einer Versammlung zu berichten, sondern beurteilten diese
auch durchaus eigenständig.^ Dabei verfügten sie offenbar über einige Er-
fahrung, insbesondere aber, das verrät der Kommentar über den /tmdzsüzg, in
Bezug auf politische Versammlungen. Sowohl der Hinweis auf den häufigen
Verzug von Versammlungen (%nUz uozvzüu/zzY zs szdz o/fc lang) als auch die all-

192 Schreiben vom 31. Oktober 1475, Nr. 242, in: PCB Matthias I, S. 192f. Über den Aufbruch des
Königs informiert auch ein venezianischer Gesandtschaftsbericht, vgl. ebd., S. 193. Bereits im
Mai 1475 war auf dem ungarischen Reichstag zur Finanzierung eines >Türkenzugs< der Er-
hebung einer außerordentlichen Steuer zugestimmt worden. Gestärkt durch diese finanzielle
Unterstützung und durch die Anerkennung der ungarischen Oberhoheit durch Stefan von
Moldawien im August desselben Jahres rüstete König Mätyäs schließlich im Oktober zum
Kriegszug; Ziel war die Eroberung der im Banat von Macsö gelegenen Burg Szabäcs, die os-
manischen Truppen als Ausgangsbasis für Angriff auf Kroatien und Slawonien gedient hatte.
Die Eroberung gelang im Februar 1476. Vgl. dazu HoENSCH, Matthias Corvinus, S. 145f.
193 THU? uorczewiüt ;s s;'U? o/fe lang, als ;'r wist, MfsoüdwM ZaMdistagiM, &s wir wo/MCM, &s so/M /uw. gM.
mochte aiscio r;o<A iviwrrcM. Nr. 242, in: PCB Matthias I, S. 192f.
194 Auffallend ist hier freilich die Qualität der Information, keinesfalls aber die Tatsache, dass
es Breslauer Gesandte waren, die ein reges Interesse an der ungarischen Politik bezeugten:
Seit seiner Wahl zum böhmischen König im Mai 1469 hatte Mätyäs Hunyadi die Herrschaft
über alle der böhmischen Krone unterstehenden Länder beansprucht, zu denen auch Schle-
sien gehörte. Entsprechend hatte er bereits drei Wochen nach seiner Wahl im böhmischen Olo-
mouc in feierlichem Rahmen die Huldigung der Stadt Breslau entgegengenommen. Vgl. dazu
HoNEMANN, Herrscheradventus, S. 150f. Wie an der reichhaltigen Korrespondenz der Stadt
Breslau zu erkennen ist, bemühten sich ihre Vertreter in den folgenden Jahren um eine enge
Bindung an den Herrscher. Manifest ist dieses Bemühen etwa in einem Schreiben, welches
diese der Breslauer Chronik von Peter Eschenloer zufolge im Juli 1471 an Mätyäs Hunyadi
schickten, um vor dem Ungarnzug des von den ungarischen Verschwörern ermutigten polni-
schen Prinzen Kazimierz zu warnen. Eschenloer, Geschichte Breslaus II, S. 847.
 
Annotationen