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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0294

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Resümee

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Resümee
»Alles Ähnliche ist zugleich auch verschieden« - so hatte der anonyme Au-
tor des Traktats über die polnische und litauische Adelsfreiheit gegen Ende
des 17. Jahrhunderts das Analysespektrum eines Vergleichs beschrieben. Im
übertragenen Sinn lässt sich dieser Ausspruch nicht nur auf die Objekte eines
Vergleichs - verschiedene Reiche, Akteursgruppen oder Institutionen - son-
dern auch auf die sich daraus ergebenden Erkenntnisse beziehen. Folglich geht
es nicht darum, (vermeintlich) eindeutige Entsprechungen zu benennen und
zu kategorisieren. Vielmehr sind bei einer solchen Gegenüberstellung auch
Zwischentöne und Verschiedenheiten zu berücksichtigen, um die jeweilige
Versammlung samt ihrer eigentümlichen Funktionsmechanismen beschreiben
zu können. Die Gegenüberstellung mit anderen Beispielen dient also dem Er-
fassen und der Charakterisierung des jeweiligen Ordnungsgefüges »in seinen
vielfältigen Wandlungen.«^
Die Ausformung und das Funktionieren spätmittelalterlicher Reichs-
versammlungen wurden, das hat die vergleichende Perspektive offenbart, ent-
scheidend von der gesellschaftliche Konfiguration der jeweiligen Reiche geprägt.
So formierten sich vor allem im 14. Jahrhundert Handlungsgemeinschaften aus
einflussreichen politischen Akteuren, die Teilhabe an der Entscheidung über
Angelegenheiten des Reichs und damit an der Herrschaft einforderten. Die-
se Ansprüche gründeten nicht zuletzt auf dem Selbstverständnis, als Königs-
wähler für den Fortbestand des Königsreichs und die Lenkung seiner Geschicke
verantwortlich zu sein. Der Institutionalisierungsgrad dieser Gruppen unter-
schied sich freilich erheblich. Anders als im Reich, wo sich mit den Kurfürsten
ein elitäres Gremium bevorrechtigter Fürsten ausbildete, verfügte sowohl in
Polen als auch in Ungarn der gesamte Adel über verbriefte Sonderrechte. Die-
ser Unterschied erwies sich als konstitutiv für die Zusammensetzung der all-
gemeinen Versammlungen, in deren Rahmen der Herrscher Hilfsforderungen
an den anwesenden Adel richtete und Obliegenheiten des Reichs zu Sprache
brachte. So nahmen in Polen ebenso wie in Ungarn die Mitglieder der ade-
ligen commMmüzs an den Reichsversammlungen teil, darunter vor allem Ver-
treter vermögender Familien. Im deutschen Reich hingegen besuchten neben
den Kurfürsten auch Fürsten, Grafen, Herren sowie städtische Vertreter die
Reichstage, wobei der Teilnehmerkreis maßgeblich von der Einladungspraxis
des Herrschers abhing.

St. Stephen, S. 347.1848 setzte der ungarische Dichter Sandor Petöfi dieser Charakterisierung
des Königs mit seinem Gedicht »Dobzse Laszlö« (»Vladislav Gut«) ein literarisches Denkmal.
So heißt es ironisch im zweiten Vers: »Er wollte nicht befehlen,/ Er verstand nichts davon./
Und wenn er vom Regieren etwas verstanden hätte,/ So hätte sich das Land seinen Befeh-
len ohnedies widersetzt.« (Eigene Übersetzung. Original: »Parancsolni nem szeretett,/ Nem
is ertett hozzä,/ S hogyha ertett von is, szavät/ nem fogadt' az orszäg.«). Petöfi Sandor összes
költemenyei, S. 699f. Zu Petöfi vgl. auch LuKÄcsy, Art. >Petöfi<.
167 BuscHMANN, Heiliges Römisches Reich, S. 12. S. dazu auch die grundlegenden Ausführungen
von MEYER, Mittelalterliche Rechts- und Verfassungsgeschichte.
 
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