Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0202

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
III. Vereinbarung: Ablauf und Verhandlungen

201

über dem kaiserlichen Anwalt, bedürfe weiterer Diskussionen und sei von den
auf dem Reichstag anwesenden Personen nicht zu leisten.^

111.3. Formen und Vorstellungen gemeinschaftlicher Willensbildung
fh.3.1. Pcrsönhc/ic TMna/vvv und Shhvcrhvhnig
In der Argumentation der Kurfürsten und Fürsten wurde 1485 außerdem eine
für die Reichstagshandlungen grundlegende Frage aufgeworfen: unter wel-
chen Bedingungen konnten gemeinsame Entscheidungen gefasst und von den
beteiligten Personen für gültig befunden werden? Eine wesentliche Vorausset-
zung für jegliche Beschlussfassung bestand zunächst, so konstatierten es zu-
mindest die Kurfürsten und Fürsten, in der persönlichen Anwesenheit einer ge-
wissen Anzahl von eingeladenen Akteuren. Tatsächlich wurde die Bedeutung
einer persönlichen Teilnahme wie auch des Fernhaltens von Verhandlungen
auf zahlreichen Reichstagen diskutiert. Dabei wurden sowohl die quantitative
Größe der Teilnehmerschaft als auch deren qualitative Größe thematisiert, also
die persönliche Beteiligung von ranghohen und vermögenden Akteuren.
Grundsätzlich kann hinsichtlich der persönlichen Teilnahme von Kur-
fürsten und Fürsten an Reichs Versammlungen für das 15. Jahrhundert von
einem Trend zu (kur-)fürstlichen Vertretungen gesprochen werden. So ließen
sich, das hat Gabriele Annas durch ihre detaillierte Analyse der Besucher von
Reichstagen belegt, die (Kur-) Fürsten etwa seit den 1420er Jahren zunehmend
durch dafür instruierte Delegationen vertreten, zeitweise oder auch für die ge-
samte Dauer reichsweiter Versammlungen.^" Diese Entwicklung beeinflusste
aus der Sicht der Zeitgenossen den Prozess der Willensbildung und Entschei-
dung durchaus, wie das Beispiel der beiden Reichstage zeigt, die im Februar
bzw. November 1443 abgehalten wurden. An beiden Versammlungen, die der
Beratung über die Abhaltung eines Konzils und die Beendigung des Kirchen-
schismas gewidmet waren, nahmen in erster Finie fürstliche und universitäre
Gesandte tei).'^' Bereits in der Instruktion für die Gesandten des Herzogs von

179 Erklärung der Kurfürsten und Fürsten vom 16. Februar, in: MiNUTon, Kaiserliches Buch,
Nr. 73, S. 82f. Der Rat der Stadt Frankfurt fasste die Resultate des Reichstags deshalb knapp
zusammen: So worden wir Nriühh, das sie MMgeendef aivgesedieden nnd ojf graue Hngen ani^rengen
nieihs ivsiossesn, aned /wt/nen andern tag /hrgenowwe daivn. Nachsatz zu Nr. 590, in: Frankfurts
Reichscorrespondenz 2,1, S. 411. Vgl. dazu auch BACHMANN, Reichsgeschichte 2, S. 733.
180 ANNAS, Hottag 1, S. 364—435 sowie die Verzeichnisse über die Teilnahme der Kurfürsten, geist-
lichen Fürsten und weltlichen Fürsten auf der ebendort beiliegenden CD-ROM.
181 Die vornehmliche Beschickung des Tags mit Gesandten war sicherlich auch auf das früh an-
gekündigte Fernbleiben des Kaisers zurückzuführen. So hatte der Kurfürst von Sachsen an-
gekündigt, sich auf dem November-Reichstag so lange durch Gesandte vertreten lassen zu
wollen, wie auch der Kaiser nicht persönlich dort erscheine. Vgl. RTA 17, C Nr. 94c, S. 201.
Schon im Verlauf des Februar-Tags war den Anwesenden eine persönliche Beteiligung meh-
rerer Kurfürsten und Fürsten unwahrscheinlich erschienen, wie ein Kommentar des Hofge-
richtsschreibers Gysler entdeckt; aivr ;'cd uersede mied m'cdf, das ;'emf eMdhcds uon /hrsfeM dod;h
/com. Zitiert nach RTA 17, Einleitung 1443 B, S. 69, Anm. 3. Vgl. auch die Anmerkungen des
Johannes von Segovia zum schlechten Besuch des Reichstags, in: RTA 17, C Nr. 48, S. lllf. Zur
 
Annotationen