Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0276

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Exkurs: Die Reichsversammlungen in Schrift und Bild

275

Exkurs: Die Reichs Versammlungen in Schrift und Bild
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie Strukturen, Prozesse und
Beschlüsse der Reichsversammlungen von den Zeitgenossen wahrgenom-
men und rezipiert wurden. Bevor die Untersuchung aber detailliert Wahr-
nehmungen des Versammlungsereignisses und seiner Strukturen in den Blick
nimmt, soll mit zeitgenössischen Darstellungen politischer Willensbildung und
deren Distribution im jeweiligen Reich ein Teilaspekt dieses Themenfelds auf-
gegriffen werden. Es geht also um >die Reichsversammlungen in Schrift und
Bild<, darum, welches Bild von den Versammlungen und ihren entscheidenden
Gremien, ihrer Funktionsweise oder der Wertigkeit ihrer Beschlüsse kommu-
niziert wurde. Im Mittelpunkt stehen dabei einige Beispiele bildlicher Darstel-
lungen sowie umfassender Gesetzessammlungen und Rechtsbücher, wie sie im
ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhundert vor allem im Rahmen ver-
schiedener europäischer Ständeversammlungen in bemerkenswerter zeitlicher
Parallelität erarbeitet und im Druck veröffentlicht wurden.'"^ Oftmals mit Ab-
bildungen zum Ordnungsgefüge des Reichs illustriert, dokumentierten diese
Kompilationen tradierte Rechtsgewohnheiten, neue Gesetze sowie allgemeine
Statuten und schrieben damit Formen und Mechanismen der Administration,
des Gerichtswesens sowie der politischen Willensbildung verbindlich fest. '"^
In Ungarn entstand eine solche Zusammenstellung im Kontext des Reichs-
tags von 1486. Auf die Initiative des Königs hin wurden die zivil- und straf-
rechtlichen Rechtsgewohnheiten des ungarischen Königsreichs samt einigen
Neuerungen festgehalten und auf dem Reichstag als Decretum Maius be-
kanntgegeben. In der Schlussformel des Gesetzes wurde diese Maßnahme al-
lerdings auf einen herrscherlich-ständischen Konsens zurückgeführt. So seien
der König, die Reichstagsteilnehmer und das Reich übereingekommen, frühere
Gesetze zu sammeln und zusammenzufassen, um den Bestand an Regelwer-
ken auf ewig für das Reich zu bewahren.^ Diese Argumentation entsprach

107 Emen Überblick über die einschlägigen Sammlungen gibt URuszczAK, Swoistosc. Neben den
ungarischen und polnischen Kodifikationen von 1505 und 1514, die im Folgenden näher be-
trachtet werden, sei auch die Gesetzessammlung erwähnt, die um 1500 unter der Herrschaft
des böhmischen und ungarischen Königs Vladislav II. in Böhmen entstand. Dort hatte eine
Kommission von drei Rechtsgelehrten eine Rechts- und Privilegiensammlung erarbeitet, die
1500 unter dem Titel »Die Vladislavschen Landkonstitutionen« (»Zrizeni zemske«) gedruckt
wurde; die lateinische Übersetzung des Textes erschien 1527 (»Iura et constitutiones Regni
Bohemiae«). Die in den Landkonstitutionen zusammengestellten Bestimmungen festigten
vor allem den politischen Einfluss des Adels. Deutlich wird dies an dem Versuch, die Ge-
setzgebung in Artikel 554 allein auf das Stimmrecht des Adels in der Reichsversammlung zu
beschränken und damit dasjenige der städtischen Gesandten implizit in Frage zu stellen (düs
coMsh'fMh'omÜMS UM decerU ddvt sme commMU cowscMSM iwroMMW H Vgl. Zrizeni
zemske, Art. 554, S. 261f. Tatsächlich war die Teilhabe der Städtevertreter an der gemeinsamen
Willensbildung nicht genau geregelt, ein Umstand, auf den auch der König in der Reichsver-
sammlung von 1502 hinwies. S. dazu die königliche Deklaration vom 22. März 1502, Nr. 18,
in: Akta werejnä, S. 249-251. Vgl. auch MiLLER, Urban sodeties, S. 171.
108 Vgl. dazu GAWLAs, Kröl i stany, S. 179-182.
109 Vgl. die Schlussformel im Dekret vom 25. Januar 1486, in: DRHII, S. 260-310.
 
Annotationen