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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0277

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276

E. Vergleichende Darstellung: omne simile est etiam dissimile

durchaus dem Charakter der spätmittelalterlichen Reichstagsdekrete. Wäh-
rend frühere königliche Dekrete die Form von Privilegien auf ge wiesen hatten,
handelte es sich bei den Dekreten im 15. Jahrhundert um Vereinbarungen, die
zwischen dem Herrscher und den Ständen auf den Reichstagen geschlossen
wurden. Vor diesem Hintergrund wird erklärlich, dass unter Mätyäs Hunyadi
auf mehreren ungarischen Reichstagen grundlegende Regelungen zu Verfah-
ren und Aufgaben der Versammlung ausgehandelt und im Anschluss schrift-
lich im Dekret festgehalten wurden. Diese inhaltliche Differenziertheit, aber
auch die Form der gemeinschaftlichen Beschlussfassung ist - das offenbart sich
besonders im Vergleich mit anderen Reichstagsbestimmungen, denjenigen des
deutschen Reichs etwa - beachtenswert.^" Gleichwohl zeugt die in Ungarn
praktizierte Beschlussdokumentation, d.h. die Bestätigung der gemeinschaft-
lichen Beschlüsse in königlichen Dekreten, neben dem politischen Stellenwert
der Adelsvertreter vor allem von der zentralisierenden Herrschaft des Königs.
An die vereinbarten Gesetze sah sich der König freilich nicht immer gebunden.
Die Geltungskraft gemeinschaftlicher Beschlüsse für alle Einwohner des Reichs
und die Bedeutung rechtlicher Bestimmungen wurden dennoch in zahlreichen
Dekreten und Korrespondenzen kontinuierlich betont, so auch im Decretum
Maius.
Mit der Entscheidung zur Konfirmation und Kodifizierung der Rechts-be-
stimmungen ging auch eine Neuerung in der Veröffentlichungsform einher.
Das Decretum Maius wurde binnen weniger Jahre in den beiden Leipziger
Buchdruckereien von Moritz Brandis (1488) und Konrad Kachelofen (1489/90)
gedruckt und sodann im ungarischen Reich verbreitet.^ Die Ausgabe Kachel-
ofens, die vermutlich ein Nachdruck der ersten Ausgabe ist, wurde auf dem Ti-
telblatt mit einem Holzschnitt versehen.^ Er zeigt in der linken Bildhälfte den
auf einem Thron sitzenden Herrscher, angetan mit der Krone und einem fest-
lichen Mantel. Während er in der rechten Hand ein Szepter hält, weist er mit
der linken Hand auf ein aufgeschlagenes Buch, das ihm zwei Gelehrte über-
reichen. In der rechten unteren Bildhälfte befindet sich ein Wappen, in dessen

110 So wurden im Rahmen der deutschen Reichstage Beschlüsse in der Regel ad äoc, für eine un-
mittelbar gegebene Problematik oder einen Zeitraum, kaum aber allgemein gültige Statuten
gefasst. Der deutliche Bedarfs- und Situationsbezug spiegelte sich auch in der Dokumenta-
tionsweise der Bestimmungen, die nämlich nicht immer in Abschlussdokumenten festgehal-
ten wurden. Lagen doch schriftliche Beschlüsse vor, so handelte es sich meist um einseitig
verfasste Dokumente, die entweder nur von Friedrich III. oder nur von den Ständen besiegelt
wurden. Vgl. dazu auch STOLLBERG-RiLiNGER, Des Kaisers alte Kleider, S. 87f.
111 HuBAY, Törvenykönyv, S. 239f., s. dort auch den Abgleich der ersten beiden Textversionen.
Von beiden Ausgaben sind wenige Exemplare erhalten. Elisabeth Soltesz nimmt an, dass die
Adeligen, die ein Gesetzbuch bekommen hatten, dieses weder als umfassendes Gesetzbuch
noch als wertvollen Druck schätzten und führt dies auf einzelne Bestimmungen des Decretum
Maius zurück, mit denen die Vorrechte der Magnaten beschnitten wurden (z.B. Steuerzah-
lung). Vgl. auch die Übersicht der erhaltenen Exemplare bei SoLTESz, Incunabla Hungarica III,
S. 278f.
112 Abbildung 1 im Anhang, vgl. dazu auch die Informationen im Ausstellungskatalog Mätyäs
kiräly. Magyarorszäg reneszänz hajnalän, S. 48. Auf den Nachdruck deuten, wie Elisabeth Sol-
tesz ausführt, das identische Vorwort und die übereinstimmenden Druckfehler hin. SoLTESz,
Incunabla Hungarica III, S. 275f.
 
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