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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0092

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C. Ungarische Reichsversammlungen

I. Herrschaft und Ordnungsgefüge
1.1. Das Königreich Ungarn im 14. und 15. Jahrhundert
Der Austausch und die Abstimmung des Herrschers mit seinen Getreuen hat-
te ähnlich wie in anderen spätmittelalterlichen Reichen auch in Ungarn eine
lange Tradition und erfolgte dabei in immer wieder unterschiedlichen Kon-
stellationen. Bereits die zahlreichen in den Quellen belegten Bezeichnungen
der beteiligten Akteure bzw. ihrer Gremien künden von einer gewissen Viel-
falt. Es waren zunächst pmdtiff cf die zur Teilhabe an der politischen
Willensbildung zusammenkamen, sodann auch die Mmucrszhzs noMmm, die
commMmhzs oder gar das fofnm rcgymm nosfrum/ Die Versammlung, die von
den derart bezeichneten Teilnehmern besucht wurde, wurde von den Zeitge-
nossen als parfamcnfnm pM&ücMm oder parfamcnfnm gcncnzU, als congmgaffo gc-
ncnzEs oder coywcnho, häufig auch schlicht als dzchz bezeichnet/ Dieser knappe
Überblick offenbart freilich gleich mehrere Probleme. So können für das mittel-
alterliche Ungarn die Gremien für gemeinschaftliche politische Willensbildung
und Entscheidungsfindung nicht immer eindeutig voneinander unterschieden
werden. Dies gilt auch für die Bestimmung der beteiligten Akteure: Scheinbar
eindeutige Sammelbenennungen ersetzten mitunter, das hat der ungarische
Historiker Andräs Kubinyi am Beispiel der pmefüff cf &%roncs gezeigt, den Na-
men des eigentlichen Gremiums, und zeigten folglich nicht zweifelsfrei an,
wer diesem Kreis tatsächlich zuzurechnen war/ Es waren neben den höchs-
ten kirchlichen Würdenträgern wohl in erster Linie adelige &%roncs, die der
König zu gemeinsamen Besprechungen einlud. Unter diesem Sammelbegriff
waren bis ins 14. Jahrhundert die vornehmsten Familien des Landes und ent-
sprechend die Würdenträger verstanden worden. Diese Praxis veränderte sich
unter der Herrschaft von König Sigismund (1386-1437) an der Wende vom 14.

1 Emen knappen Überblick über zeitgenössische Bezeichnungen politischer Versammlungen
gibt BÖNis, Feudal Diet, S. 290ff. Für eine zusammenfassende Darstellung der bisherigen
Forschungsarbeiten zur Entwicklung des ungarischen Reichstags vgl. die konzisen Ausfüh-
rungen von BAK, Königtum und Stände, S. 1-10 sowie BÖMELBURG, Forschungen zur Stände-
geschichte.
2 Die Bezeichnung des Reichstags mit dem Sammelbegriff shdMS A ouü'ncs setzte sich erst mit
der gesetzlichen Definition der teilnehmenden Stände und der Festlegung der Reichstags-
organisation im 17. Jahrhundert durch: Dekret König Mätyäs' II. aus dem Jahr 1608, in: CJH 3,
S. 24-43. Vgl. dazu auch BÖNis, Feudal Diet, S. 292 sowie die Darlegungen in Kapitel C.II.
3 KuBiNYi, Staatsorganisation, S. 20. Kubinyi zufolge waren je nach Anlass neben den Inhabern
königlicher Ämter (faroMes) auch andere Akteure an den Sitzungen des Kronrats beteiligt.
Dessen Zusammensetzung hing von der königlichen Einladung und dem jeweiligen Anlass
ab: verantwortlich für die alltägliche Arbeit war der so genannte »engere« Rat, dem offenbar
in erster Finie Amtsinhaber und Großgrundbesitzer angehörten. An den Zusammenkünften
des »vollständigen Rats« dagegen nahmen auch Magnaten teil, die kein Amt bekleideten.
 
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