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B. Polnische Reichsversammlungen
der Kardinal die Bilanz seiner Teilnahme an Reichsversammlungen. Gegen die
Politik und die Macht des Königs warf er dabei sein hohes Alter und seine Er-
fahrung in die Wagschale. Nachdem er als junger Mann - also noch vor Beginn
der Herrschaft Kazimierz' IV. - regelmäßig an Versammlungen teilgenommen
habe, lohne sich die häufige Teilnahme nun unter Kazimierz' IV. Regentschaft
immer weniger, da auf dem Sejm nur noch in Zwietracht gestritten würde.^
Die Gegenüberstellung der Erinnerung an die alte commumhis und ihr gemein-
schaftliches Handeln einerseits und der kritisierten Gegenwart andererseits
kommunizierte implizit Norm vor Stellungen von der >richtigen< Versamm-
lungsweise, die sich von den Prinzipien des Sejms unter Kazimierz IV. freilich
vollkommen unterschied.
Deutlicher als die Verortung des Sejms in einer langen Tradition war je-
doch die Bezugnahme der Zeitgenossen auf frühere Entscheidungen und Zu-
sammenkünfte. Verweise auf konkrete Beschlüsse, die zum jeweiligen Thema
einige Monate oder Jahre zuvor verabschiedet worden waren, dienten der
Unterstützung der eigenen Argumentation in den Verhandlungen oder der
Fundierung gewisser politischer Ansprüche.^ Daran zeigt sich, dass Angele-
genheiten und Entscheidungen, die auf dem Sejm verhandelt und getroffen
wurden, offenbar in breiten Kreisen und über einen längeren Zeitraum hinweg
rezipiert und erinnert wurden. Indem frühere Beschlüsse und Diskussionen
in die gegenwärtige Zusammenkunft integriert wurden, rückte die jeweilige
Reichsversammlung in einen weiteren Kontext, verbunden mit anderen allge-
meinen oder regionalen Zusammenkünften. Die einzelne Versammlung wurde
gleichsam einer Kontinuität gemeinsamer politischer Entscheidungsprozesse
zugeordnet und darin verortet. In der zeitgenössischen Wahrnehmung er-
schien sie damit gleichsam als feste Größe, als ein tradiertes und sich zugleich
verstetigendes Forum für die Glieder des Reichs.
244 Vgl. das Schreiben vom Mai 1454, in: CE 1,2, Nr. 135, S. 144—149, hier S. 146.
245 So stützten sich die Herzoge von Masowien bei ihren Argumentationen für die umstritten
Erbgebiete zumeist auf Argumente, die sie bereits auf früheren Versammlungen vorgebracht
hatten. Vgl. etwa zu 1466 Annales seu cronicae XII-2, S. 128f. Während eines Treffens mit Mit-
gliedern des Kapitels von Ermland erinnerten die königlichen Gesandten im Frühjahr 1489 an
die Beschlüsse des Sejms von 1479, mit denen Fragen zur Wahl und zum Besitz des Bischofs
von Ermland geregelt worden waren: Sed i?oc tr; dich? Pttterdowtenst eonetMSMW cf tHramenfo adyne
tttterts JtrmafMW /dtf, (?Mod posdynam eiecfns in eptseopew eon/trwafMS esset et ad possesstonew eeeteste
SMe uentssef, inne tn/ra fres wenses sfefnr se presentere regte wfaft, st die in parftdns Prnste /dertf.
Damit versuchten sie ihr Plädoyer für die Wahl Fryderyks, des Sohnes Kazimierz' IV., zum
Bischof von Ermland zu untermauern. ASPKII, Nr. 12, S. 26-39, bes. S. 28.
B. Polnische Reichsversammlungen
der Kardinal die Bilanz seiner Teilnahme an Reichsversammlungen. Gegen die
Politik und die Macht des Königs warf er dabei sein hohes Alter und seine Er-
fahrung in die Wagschale. Nachdem er als junger Mann - also noch vor Beginn
der Herrschaft Kazimierz' IV. - regelmäßig an Versammlungen teilgenommen
habe, lohne sich die häufige Teilnahme nun unter Kazimierz' IV. Regentschaft
immer weniger, da auf dem Sejm nur noch in Zwietracht gestritten würde.^
Die Gegenüberstellung der Erinnerung an die alte commumhis und ihr gemein-
schaftliches Handeln einerseits und der kritisierten Gegenwart andererseits
kommunizierte implizit Norm vor Stellungen von der >richtigen< Versamm-
lungsweise, die sich von den Prinzipien des Sejms unter Kazimierz IV. freilich
vollkommen unterschied.
Deutlicher als die Verortung des Sejms in einer langen Tradition war je-
doch die Bezugnahme der Zeitgenossen auf frühere Entscheidungen und Zu-
sammenkünfte. Verweise auf konkrete Beschlüsse, die zum jeweiligen Thema
einige Monate oder Jahre zuvor verabschiedet worden waren, dienten der
Unterstützung der eigenen Argumentation in den Verhandlungen oder der
Fundierung gewisser politischer Ansprüche.^ Daran zeigt sich, dass Angele-
genheiten und Entscheidungen, die auf dem Sejm verhandelt und getroffen
wurden, offenbar in breiten Kreisen und über einen längeren Zeitraum hinweg
rezipiert und erinnert wurden. Indem frühere Beschlüsse und Diskussionen
in die gegenwärtige Zusammenkunft integriert wurden, rückte die jeweilige
Reichsversammlung in einen weiteren Kontext, verbunden mit anderen allge-
meinen oder regionalen Zusammenkünften. Die einzelne Versammlung wurde
gleichsam einer Kontinuität gemeinsamer politischer Entscheidungsprozesse
zugeordnet und darin verortet. In der zeitgenössischen Wahrnehmung er-
schien sie damit gleichsam als feste Größe, als ein tradiertes und sich zugleich
verstetigendes Forum für die Glieder des Reichs.
244 Vgl. das Schreiben vom Mai 1454, in: CE 1,2, Nr. 135, S. 144—149, hier S. 146.
245 So stützten sich die Herzoge von Masowien bei ihren Argumentationen für die umstritten
Erbgebiete zumeist auf Argumente, die sie bereits auf früheren Versammlungen vorgebracht
hatten. Vgl. etwa zu 1466 Annales seu cronicae XII-2, S. 128f. Während eines Treffens mit Mit-
gliedern des Kapitels von Ermland erinnerten die königlichen Gesandten im Frühjahr 1489 an
die Beschlüsse des Sejms von 1479, mit denen Fragen zur Wahl und zum Besitz des Bischofs
von Ermland geregelt worden waren: Sed i?oc tr; dich? Pttterdowtenst eonetMSMW cf tHramenfo adyne
tttterts JtrmafMW /dtf, (?Mod posdynam eiecfns in eptseopew eon/trwafMS esset et ad possesstonew eeeteste
SMe uentssef, inne tn/ra fres wenses sfefnr se presentere regte wfaft, st die in parftdns Prnste /dertf.
Damit versuchten sie ihr Plädoyer für die Wahl Fryderyks, des Sohnes Kazimierz' IV., zum
Bischof von Ermland zu untermauern. ASPKII, Nr. 12, S. 26-39, bes. S. 28.