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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0160

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D. Deutsche Reichs Versammlungen

I. Herrschaft und Ordnungsgefüge
1.1. Das deutsche Reich im 14. und 15. Jahrhundert
Ob »Reichstag«, »kaiserlicher Tag«, »königloser Tag« oder »gemeiner Tag« -
bereits die in der Forschungsliteratur herrschende begriffliche Vielfalt bei der
Bezeichnung allgemeiner politischer Versammlungen im deutschen Reich
kündet von der Herausforderung, Charakteristika des spätmittelalterlichen
Reichstags zu bestimmen, ihn zu klassifizieren und strukturell zu erfassen/
Mit diesem Befund korrespondieren die Fülle und bisweilen die Unschärfe
zeitgenössischer Begrifflichkeiten wie gemc/ne tvrszzmpnMMg oder gernei/ner tag,
tag, dieta, cozzvczzZzzs oder cozzvczzZzzs natzoms Germania und schließlich ndzshzg/
Diese Benennungen lassen nicht schlüssig erkennen, was die Reichsversamm-
lungen auszeichnete, welcher Kreis politischer Akteure an ihnen teilnahm und
worauf diese Beteiligung gründete. Ebenso wenig geben die Quellenbegriffe
Aufschluss darüber, welche Bedeutung der allgemeinen Zusammenkunft im
Reich zukam, waren doch bereits in früheren Jahrhunderten Tagsatzungen
des Königs als conuentrzs oder Tag bezeichnet worden/ Vielmehr werfen die-

1 Von einer Darstellung der beinahe unübersichtlichen Menge einschlägiger Arbeiten zur Erfor-
schung der deutschen Reichsversammlungen wird abgesehen. Vgl. stattdessen den konzisen
Überblick über die Forschungsdiskussion der letzten Jahre bei ScHWARz, Rezension, S. 1 sowie
die ausführliche Darstellung bei ANNAS, Hoftag 1, bes. S. 61-72.
2 Exemplarisch für die Verwendung dieser Begriffe vgl. z.B. den offiziellen Abschied des
Frankfurter Tags 1489, in: RTA MR 3,2, Nr. 305c, S. 1208 (gcwci/ac ucrsawpaMMg), das Ladungs-
schreiben Kaiser Friedrichs III. an die Reichsstände 1471, in: RTA 22,2, Nr. 91a, S. 309 (Zag)
sowie die Ankündigung des »Martinitags« 1443, in: RTA 17, RT 1443-1444, B Nr. 60, S. 148ff.
(dicZa). Als coawatas aatioais Gcramak' verfassten die Teilnehmer des Frankfurter Reichstags
1489 ein Schreiben an Heinrich von England (vgl. RTA MR 3,2, Nr. 308a, S. 1216). Der Begriff
n'cZisZag wurde erstmals im Kontext des Wormser Reichstags 1495 verwendet. Vgl. dazu RTA
MR 5,2, S. 1681 sowie die Bezeichnung ucrsawZMMg des Rca'dis in einem Bericht der kurbran-
denburgischen Räte, ebd., Nr. 1732, S. 1299. Grundlegend zu diesem Thema ANNAS, Hoftag
1, S. 98-135, FRENSDORFF, Reich und Reichstag, bes. S. 12-17 sowie zum Gebrauch des Begriffs
Reichstag IsENMANN, Kaiser, Reich und deutsche Nation, S. 192ff.
3 Der Ausdruck Zag wurde zunächst, so hat Gabriele Annas gezeigt, vor allem im Sinne ei-
nes Termins (z.B. zur Beilegung politischer Streitfälle oder für direkte Verhandlungen des
Herrschers mit einzelnen Fürsten) gebraucht. Im 14. Jahrhundert setzte sich schließlich »ein
Sprachgebrauch durch, der den >Tag< als eine zeitlich und örtlich genau festgelegte Ver-
sammlung verstand.« ANNAS, Hoftag 1, S. 110. Hinsichtlich der zeitgenössischen Begriffe für
Reichsversammlungen sind durchaus terminologische Phasen erkennbar. Dominierten vor
allem in frühmittelalterlichen Quellen Begriffe wie coadÜMiw, coawatas oder auch coZZo^M/MW,
entwickelte sich seit dem 11. Jahrhundert vor allem der Ausdruck curia zur bestimmenden
Bezeichnung. Zur näheren Charakterisierung der Versammlung wurde diese recht offene
Bezeichnung zumeist durch adjektivische Ergänzungen wie paMicMS, gcacraks oder soicaiais
präzisiert. MARTIN, Weg zum Reichstag, S. 28-30 sowie MoRAw, Versuch über die Entstehung
des Reichstags, S. 6f. Im 14. Jahrhundert fand zudem der Begriff parZameatMm Verwendung.
Vgl. dazu Höss, Parlamentum sowie SCHUBERT, König und Reich, S. 324.
 
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