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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0156

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IV. Im Gedächtnis der Zeit: Historizität und Wahrnehmung

155

Die Verbindungen des Reichstags mit anderen Versammlungen im Reich
waren, wie sich gezeigt hat, vor allem struktureller oder logistischer Art. Auf
den Komitatsversammlungen wurden die Abgeordneten zum Reichstag ge-
wählt oder benannt sowie die dort verabschiedeten Dekrete verkündet. An den
Sitzungen des Kronrats wiederum nahmen zahlreiche Magnaten teil, die auch
zu den Reichstagen eingeladen waren; die Sitzungen konnten auf diese Weise
zur Vor- oder Nachbereitung von Reichstagen genutzt werden. Als Forum für
die Beratung von reichsweiten Angelegenheiten wurden die d/chzc des Königs
und der von ihm bestimmten Teilnehmer angesehen; eine institutionalisierte
Interdependenz verschiedener Tagungsformen ist jedoch nicht belegt.^

IV.3. Ereignis und Verstetigung: Zur Historizität der Reichs Versammlungen
Ergänzend zu der zeitgenössischen Perspektive auf die miterlebten und mit-
gestalteten Versammlungen ist auch nach der Wahrnehmung von der Versteti-
gung der Versammlung oder gar von einer eigenen Versammlungsgeschichte
zu fragen. Die gleichsam institutioneilen Aspekte dieser Verstetigung wurden
an anderer Stelle bereits untersucht und seien deshalb nur knapp rekapitu-
liert. Verschiedentlich hatten sich die Reichstagsteilnehmer zunächst darum
bemüht, einen regelmäßigen (jährlichen) Turnus der Reichstagssitzungen ge-
setzlich festzuschreiben. Dauerhaftigkeit wurde zumindest in einigen Fällen
auch für die Resultate der Versammlung, die gemeinsam ausgehandelten und
beschlossenen Gesetzesbestimmungen beansprucht.^ Angesichts der sich hier
offenbarenden Auffassung von einer Periodizität und Verstetigung der Ver-
sammlung gilt es also auszuloten, ob sich auch die Vorstellung von einer His-
torizität des Reichstags und einer darauf gründenden Teilhabeberechtigung
seiner Glieder etablierte.

254 Auch die königlichen Städte hielten regelmäßig gemeinsame Beratungen oder auch Versamm-
lungen ab, die jedoch nicht eindeutig im Zusammenhang mit den Reichstagen zu sehen sind.
Vielmehr wurden Reichstage als bedeutende und längere Ereignisse zum Anlass genommen,
städtische Vertreter für separate Gespräche mit dem König an den Hof zu schicken, oder auch
vom König, um zu solchen Verhandlungen einzuladen. Sie fanden häufig im Anschluss an
die Reichsversammlungen bzw. Beschlussverkündungen statt. Vgl. etwa die Absprachen zwi-
schen Eperjes und Bärtfa über eine Gesandtschaft zum König im März 1476 oder im Juli 1488:
Nr. 1989, in: IvÄNYi, Bärtfa I, S. 300 sowie Nr. 2655, ebd., S. 392. Zur Planung eines Städtetags
s. zudem Nr. 2657, ebd. Vgl. dazu auch KuBiNYi, Vertretung der Städte, S. 93f.
255 Vgl. GA XXXVII des Dekrets vom 8. Juni 1458, in: DRHII, S. 103 sowie GA I des Dekrets vom
18. September 1471, ebd., S. 193. Die Verpflichtung des Königs zur jährlichen Einberufung des
Reichstags war jeweils verbunden mit der Pflicht, alle Reichsglieder einzuladen. Einschrän-
kungen oder Ausnahmen von dem Sitzungsturnus wurden in den Dekreten von 1471 und
1472 festgehalten. Im Unterschied zu 1458 musste laut dem Dekret 1471 ein Reichstag nur
dann jährlich einberufen werden, s; ncwssiUs exigaf. 1472 wurde auf Antrag der Adeligen be-
schlossen, aufgrund der hohen finanziellen Belastung den nächsten Reichstag erst nach Ab-
lauf von zwei Jahren abzuhalten, vgl. GA XIII des Dekrets vom 1. Mai 1472, ebd., S. 208f.
256 So festgehalten in den Dekreten der Jahre 1464,1481 und 1486. Vgl. DRH II, S. 142, S. 246 so-
wie S. 265f. S. dazu auch die Ausführungen in Abschnitt C.IV.2.1.
 
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