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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0027

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B. Polnische Reichsversammlungen

sitzes und einer langen Ämtertradition im Reich über bedeutenden politischen
Einfluss verfügten: nicht Sonderprivilegierungen, sondern Besitz- und Macht-
kumulation begründeten den besonderen Status der Magnaten.^ In den Rechts-
bestimmungen fand die Binnendifferenzierung des Adels in die Spitzengrup-
pe der Magnaten und die des einfachen Adels allerdings keine Entsprechung.
Vielmehr dokumentierte das erste allgemeine Adelsprivileg, das im Jahr 1374
ausgegeben wurde, eine merkliche politische und rechtliche Stärkung des ge-
samten polnischen Adels und spiegelte damit eine Entwicklung wider, die sich
im Kontext der Durchsetzung des Königswahlprinzips vollzogt
Die Frage nach den Grundlagen des Königtums war virulent geworden,
als 1370 mit König Kazimierz III. der letzte Herrscher aus dem Haus der Pi-
asten, das seit dem 11. Jahrhundert mehrheitlich die polnischen Könige gestellt
hatte, kinderlos verstorben war. Zwar war es dem ungarischen König Ludwig
von Anjou zunächst gelungen, sich unter Verweis auf die seit 1339 und 1355
mit den Herrschern von Ungarn bestehenden Erbverträge als polnischer Kö-
nig durchzusetzen/ Bereits wenige Jahre später jedoch, als er sich um die Si-
cherung des polnischen Throns für eine seiner Töchter bemühte, sah Ludwig
sich genötigt, im Gegenzug für die Akzeptanz dieser Thronfolge umfassende
Begünstigungen zugunsten des polnischen Adels zu erlassen. Im so genann-
ten »Privileg von Kaschau«, dem ersten allgemeinen Privileg für den gesam-
ten Adel, wurde 1374 deshalb festgelegt, dass adelige Güter weitgehend von
der Steuerzahlung befreit waren und dass Adelige nur bei der Abwehr eines
Angriffes auf das Königreich Militärdienst auf eigene Kosten leisten mussten.^

5 Vgl. dazu SCHRAMM, Übernationale Gemeinsamkeiten, S. 16; DoBosz, Art. >Szlachta<; BÖMEL-
BURG, Magnaten, S. 121 sowie die weiteren Ausführungen in diesem Kapitel. Die Szlachta, der
gesamte polnische Adel, hatte sich im 14. Jahrhundert schrittweise aus den Ritterschichten
ausgebildet. Die politische Durchsetzungskraft des Adels war sicherlich auch auf seine quan-
titative Stärke zurückzuführen: mit etwa 8 Prozent machte die Szlachta einen im europäischen
Vergleich bedeutenden Anteil an der Gesamtbevölkerung aus (zu Beginn des 16. Jahrhunderts
etwa 4 Millionen). Vgl. KERSKEN, Zum politischen Profil, S. 136f.
6 Zusammen mit den königlichen Statuen und den Beschlüssen des Sejms (Konstitutionen),
bildeten die generellen Adelsprivilegien die Grundlage des ins cornrnnne. Für den Adel, des-
sen politischer Einfluss nicht institutionell garantiert war, hatte die wiederholte Bestätigung
seiner Privilegien und Rechte durch den Herrscher entscheidende Bedeutung, wurden diese
dadurch doch »zu einem Teil einer >Verfassung< sui generis des polnischen Adels«. URusz-
czAK, Privileg, S. 260.
7 Vgl. dazu KroczowsKi, Louis the Great. Von den Konflikten um die Nachfolge Kazimierz' III.
und den Ansprüchen des polnischen Adels auf die Teilhabe am Königreich berichtete der
zeitgenössische Chronist Janko von Czarnköw. Janko, welcher der Protektion durch Kazi-
mierz III. seinen Aufstieg aus einfachem Adel bis zum Vizekanzler verdankte, sprach sich
nach dessen Tod vehement für die Bewahrung derjnrn cf iiFerfnfes PoioMorMW und damit gegen
die Nachfolge eines »fremden« ungarischen Königs aus. Vgl. Joannis de Czarnköw, Chrorti-
con, besonders S. 648f.
8 Nr. 1709, in: KDW 3, S. 424-427; ciuifnfes, cnsfrn, possessiones, oppidn cf uillns, fwcofas oifinrnm
focins regni Poionie inFnFifnnfes ipsornm Fnronnm cf noFiiinm omninm nFsoioimns, üFernmns cf
exemimns nF omniFns cf singniis coiiecfis, dncioniFns, confriFncioniFns, exncfioniFns siue friFnfis,
fnm genernüFns ^nnm specinüFns, ^Mocnn^ne nomine censennfnr, ef nF omniFns seruiciis, inForiFns,
oexncioniFns, nngnriis ef prenngnriis in reFns ef personis commifendis, pnre ef simpiieifer soinfos ef
nFsoinfos esse uoinmns ef exempfos. Vgl. dazu auch URuszczAK, Privileg, S. 258.
 
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