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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0021

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20

A. Einführung

»Sinnzuschreibungen, Gettungsbehauptungen und Deutungskonflikten der
Akteure.«^
Angesichts der Methodenvielfalt stellt sich gleichwohl die Frage, wie mit
gesellschaftlichen Konfigurationen umzu^ehen ist, die mit »etastistischen
Prämissen geregelter Machtmechanismen« ^ nicht mehr in Einklang zu brin-
gen sind. Legte die traditionelle Verfassungsgeschichte staatliche Erklärungs-
muster an und verstand Politik als Herstellung und Durchsetzung von verbind-
lichen Entscheidungen, so erachteten kulturwissenschaftliche Ansätze symbo-
lische und ästhetische Elemente, Prozesse der Kommunikation, Performanzen
und Repräsentation als konstitutiv für politische Kultur. Um die Herausforde-
rung eines angemessenen Umgangs mit solchen als >unscharf< erscheinenden
Phänomenen anzugehen, scheint freilich die Zusammenführung eines traditio-
nellen mit einem kulturgeschichtlichen Politikverständnis fruchtbar.^ So ist mit
den Worten des Althistorikers Kart-Joachim Hölkeskamp eine »kulturalistische
Erweiterung des Begriffs der Politik« vorzunehmen, ist neben der Inhaltsseite
der Politik (d.h. Macht, Herrschaft, Entscheidungsträger und -verfahren) auch
ihre Ausdrucksseite zu fokussieren, die - mittels Symbolen und Ritualen - der
Darstellung und Vermittlung von Macht und Herrschaft sowie der Legitimi-
tät des Systems dient. Politik ist demnach, so formuliert es Hölkeskamp, »als
Komplex oder Serie von kommunikativen Akten zu begreifen, die nicht nur
auf die bloße >Herstellung< und >Durchsetzung von Entscheidungen mit dem
Anspruch allgemeiner Verbindlichkeit und damit auch die > Durchsetzung
von Herrschaft zielen ...; vielmehr gehörten zur >Politik< als kommunikativem
Prozeß die >Darstellung< und Präsentation der erwähnten Entscheidungen als
integraler Teil ihrer Hervorbringung und als Bedingung ihrer Verbindlichkeit
und Geltung«.^
Politik erscheint hier als ein Handlungs- und Kommunikationsraum, in-
nerhalb dessen Prozesse der Aushandlung und Entscheidungsfindung, der
politischen Willensbildung also verlaufen. Um diesen Vorgängen im Rahmen
von Reichsversammlungen nachzuspüren, sind neben den institutioneilen Vo-
raussetzungen, dem Rahmen der Beratungen, den Verfahren der Verhandlung,
Entscheidung und Umsetzung auch die Verhaltensweisen, Wahrnehmungen
und Ansprüche zeitgenössischer Akteure zu berücksichtigen. Es geht also um
Formen und Mechanismen der Strukturierung, genauer: der Ordnung des ge-
meinsamen Wirkens in der Versammlung, das in Anlehnung an das von den
Zeitgenossen wiederholt als Handlungsziel benannte commune auch

28 STOLLBERG-RinNGER, Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, S. 12. Für einen Überblick
über die kulturgeschichtliche Veränderung der Verfassungsgeschichte in den Disziplinen der
Alten Geschichte, der Mittelalterlichen Geschichte und der Geschichte der Frühen Neuzeit vgl.
DAUM u.a., Verfassungskulturen in der Geschichte; JussEN, Diskutieren über Könige; HÖLKES-
KAMP, Mythos und Politik sowie DERS., Rekonstruktion einer Republik; MEYER, Mittelalterliche
Rechts- und Verfassungsgeschichte; REINHARD, Verfassungsgeschichte als Kulturgeschichte;
ScHNEiDMÜLLER, Vor dem Staat sowie DERS., Verfassungsgeschichte.
29 ScHNEiDMÜLLER, Vor dem Staat, S. 178.
30 Vgl. dazu jüngst die Überlegungen von HÖLKESKAMP, Mythos und Politik.
31 Ebd., S. 38.
 
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