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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0038

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II. Der Sejm als Ereignis

37

Die relative Kürze der Verhandlungen ist möglicherweise auf die gründ-
liche Vor- und Nachbereitung der Generalversammlungen auf lokaler und re-
gionaler Ebene zurückzuführen. Wie aus zahlreichen Quellen, v.a. aus Doku-
menten preußischer Provenienz und Einträgen in Kapitel- oder Gerichtsakten,
ersichtlich ist, wurde bereits die Entsendung von Gesandten zum Sejm im Vor-
feld der Versammlung intensiv diskutiert und geplant. Wochen oder mitun-
ter sogar Monate vor Beginn der Verhandlungen wurden Gesandte bestimmt
und instruiert. Zehr- und Wegegelder festgelegt und die Reise organisiert.^
Die ReichsverSammlung galt als zentrales Forum, das zur Information über die
königliche Politik ebenso wie zur Artikulation eigener Bitten und Ansprüche
genutzt wurde. Dabei wirkte sich die Organisation des Ereignisses auch auf
die alltäglichen Belange zahlreicher Wojewodschaften und Kreise aus. So wur-
den mitunter geplante Gerichtsverhandlungen nach der Abreise bzw. Rück-
kehr der zuständigen Richter oder Beamte vom Sejm ausgerichtet.^ Auch im
Nachgang verschiedener Versammlungen ist eine der Vorbereitung entspre-
chende unmittelbare Rezeptionsphase des Sejms dokumentiert. So wurde in
den untersuchten Quellen nicht nur die Rückkehr und Berichterstattung von
Gesandten, sondern auch die im Rahmen des Sejms diskutierten Sachverhalte
und Beschlüsse sowie deren Umsetzung vermerkt.^ Verschiedentlich wurden
die Verhandlungsthemen auch auf weiteren Versammlungen, wie z.B. Land-

Beratungen hätten sich wegen der Komplexität der behandelten Themen auf 30 Tage verlän-
gert: QMarMW rcrMW rnuolMdo cf coMueMdom's progrcssMW in dies exbvxd fn'gmfa. Anna-
les seu cronicae XII-2, S. 258.
51 Die Gnesener Kapitelversammlung beispielsweise versammelte sich im Jahr 1457 rund zwei
Monate vor Beginn des Sejms, um Gesandte dorthin zu bestimmen. Vgl. die Einträge Nr. 1869
und 1870, in: Acta capitulorum 1, S. 426. 1472 bat Bischof Wincenty Kielbasa von Kulm den
Danziger Rat, dem Wojewoden von Pommerellen zum Besuch des Sejms ein Zehrgeld zu ge-
ben. Uber die Instruktionen für die Gesandtschaft wurde wenig später auf der Tagfahrt zu
Thorn beraten. Vgl. Nr. 47, in: THUNERT, Acten I, S. 175 und den Bericht zur Tagfahrt, ebd.,
Nr. 49, S. 176-178.
52 Zahlreiche Gerichtsakten bietet die Edition der städtischen und Landakten aus dem Lem-
berger Bernhardinerarchiv (»Akta grodzkie i ziemskie z czasöw Rzeczypospolitej Polskiej z
Archiwum tzw. Bernardynskiego we Lwowie«, 21 Bände, 1868-1930). Zur Geschichte dieser
Quellenedition vgl. NowAxowsKi, Archiwum Krajowe. Für die vorliegende Arbeit wurden die
zeitlich einschlägigen Bände dieser Reihe gesichtet; aufgrund des Quellenumfangs können
jedoch nur ausgewählte Beispiele zur Illustration des hier beschriebenen Phänomens genannt
werden. So wurde in den Gerichtsbüchern von Przeworsk am 1. November 1464 vermerkt,
dass Gerichtsfälle, die für diesen Tag angesetzt waren, propfer conwnUoncwi Regm generalem
verschoben wurden. Akta grodzkie i ziemskie 13, Nr. 5397, S. 436. Der Sejm wurde zudem
als geeignetes Forum angesehen, Streitigkeiten gleichsam in höchster Instanz vor dem König
vorzutragen. 1467 wurde ein Streitfall, der vor dem Gericht von Lemberg ausgetragen wurde,
auf den Sejm verschoben, weil der Sachverhalt dem König selbst vorgetragen werden sollte.
Akta grodzkie i ziemskie 15, Nr. 587, S. 82.
53 Exemplarisch sei an dieser Stelle die Ausschreibung neuer Abgaben an Abte, Mönche und
Kleriker der Diözese Krakau durch Tomasz Strzepihski, den Bischof von Krakau, im Herbst
1456 genannt. Strzepihski bezog sich in seinen Ausführungen explizit auf die Beschlüsse des
Sejms und legte detailliert fest, wie und bis wann die Abgaben eingesammelt und verwaltet
werden sollten. Schreiben in CE 1,2, Nr. 156, S. 167f. Zur Frage der Umsetzung der Sejm-
beschlüsse vgl. die Ausführungen in Kapitel B.IV.
 
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