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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0045

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B. Polnische Reichsversammlungen

lendem Interesse an der königlichen Politik als auch auf Unzufriedenheit oder
Kritik an dieser gründen.^ Überdies trug in den Augen der Zeitgenossen der
möglichst vollständige Besuch einer Zusammenkunft zu deren Qualität bei. So
beklagten sich die städtischen Sendboten, die im August 1480 an einer Stände-
versammlung Königlich Preußens teilnahmen, gegenüber den königlichen
Vertretern, dass Versammlungen im Königreich mitunter nur von einem Drit-
tel oder gar einem Zehntel der eingeladenen Personen besucht würden, die
Beschlüsse aber dennoch für alle Gültigkeit hätten.^ Auch Jan Dlugosz betonte
bei der Beschreibung der beiden Versammlungen des Jahres 1473 ausdrücklich,
dass die zweite Zusammenkunft, die Kazimierz IV. nach Radom einberufen
hatte, um die beim Sejm in Piotrköw zuvor demonstrativ abwesenden Herren
aus Kleinpolen zu versöhnen, endlich von allen (Mmuersz) besucht worden seiü
Ein Jahr zuvor, im Vorfeld einer für November 1472 angesetzten Versammlung,
hatten preußische Ständevertreter diskutiert, ob sie Gesandte zu den anstehen-
den Beratungen schicken sollten oder nicht. Der Rat der Stadt Thorn plädierte
schließlich entschieden für die Beschickung des Tags, sei doch davon auszuge-
hen, dass scync Anrnghc/ze gna&n mü so/noz müzen eüzc/z uorzzezzzezz zzzzzf Izes/t/s mit
uohem rzü/ze Ezzztz moc/zfo Entscheidungen aber, die in einem voEczz r%f/z gefasst
würden, könnten auch nur durch einen solchen wieder verändert oder auf-
gehoben werden, weshalb es besser sei, zur Verfolgung der Beschlussfassung
Vertreter vor Ort zu habenü Diese Argumentation belegt zunächst die Vorstel-
lung von einem Zusammenhang zwischen der Teilnahmestärke und der Hand-
lungsfähigkeit der Versammlung. Sie verweist darüber hinaus aber auch auf
ein weiteres Phänomen. Obgleich es keine klar benannten oder gar schriftlich
fixierten Regelungen für den Kreis der Teilnehmer am Sejm gab, schien eine
recht klare Vorstellung von der Vollständigkeit des Gremiums zu bestehen.^

76 Zahlreiche Beispiele einer großen, aber unzufriedenen Teilnehmerschaft sind in der Chronik
von Jan Dlugosz zu finden. 1472 versammelte sich eine große Menge königlicher Ratgeber, die
der Ansicht waren, schon seit langem nichts tun zu können (Annales seu cronicae XII-2, S. 295:
coMsUanonim MMwerMS ;'Üc coM/JMOMS, UM agoMdMW dMOOMs). Als weitere
Beispiele sind die Versammlungen der Jahre 1452,1459,1462,1463 und 1469 zu nennen.
77 OMc/i ;sz s;'c/i Madie, das di/ gaMtcze Krone zcM Poian zcMre fage/ärf uorsdireivM worde nnnd
dodi Udwe das dritte adire zeedende tei/ii do dowpt, idocd was do destosszen wirt, ade ei/ntreedtig-
ücd WMSsenn. Rezess der Versammlung in Grudziqdz, in: ASPK I, Nr. 27, S. 51-63, hier S. 58.
S. dazu auch URuszczAK, Poselstwo sejmowe, S. 50.
78 Annales seu cronicae XII, S. 304.
79 Schreiben an den Rat von Danzig vom 17. Oktober 1472, in: THUNERT, Acten 1, Nr. 101, S. 258.
Vergleichbare qualitative Beschreibungen finden sich bei Jan Dlugosz: über die Versammlung
des Jahres 1478 vermerkte er, dass sich die Teilnehmer in adijMaü na Micro, non in pieno tarnen in
Piotrköw eingefunden hätten. Annales seu cronicae XII-2, S. 407.
80 Für den Kronrat wurde diese Problematik von Antoni Gqsiorowski diskutiert. Er verwies da-
rauf, dass klare Einberufungskriterien für das Zusammentreten des Kronrats kaum auszu-
machen sind. Mit der Verschiebung des monarchischen Fokus vom Kronrat auf territoriale
Repräsentationseinheiten, die Gqsiorowski zufolge für das 15. Jahrhundert zu beobachten
ist, ging auch eine Verfestigung bisheriger Traditionen, gleichsam eine >Versteinerung< ein-
her - die Teilnahme an den Sitzungen des Kronrats galt gleichermaßen als Recht wie auch als
Pflicht. Vgl. G^siOROwsKi, Monarchia, S. 299f.
 
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