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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0059

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58

B. Polnische Reichsversammlungen

gemeinschaftliche Beratung und Entscheidung, die dedszo communts sollte im
Mittelpunkt der Versammlung stehen. Konrads Aussage, die primär gegen den
König, seine Gebietsansprüche und seine Berechtigung zur Rechtssprechung
in diesem Fall gerichtet war, griff mit der gemeinschaftlichen Vereinbarung ein
grundlegendes Funktionsprinzip der Reichsversammlungen auf. Königliche
Anliegen und verschiedene Forderungen wurden im Plenum gemeinsam bera-
ten, erörtert und entschieden.
Vor diesem Hintergrund wird die Bedeutung, die der Präsenz auf den
Versammlungen zukam, noch ktarer.' ' Obgleich mit der Annahme der kö-
niglichen Einladung und dem Erscheinen auf der Versammlung eine grund-
legende Bereitschaft zur Teilhabe an gemeinsamen Entscheidungen vermittelt
wurde, bestand offenbar keine Einigkeit über einen Zusammenhang zwischen
der Präsenz und der Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen. Um
einer klaren Positionierung oder gar Entscheidung zu entgehen, beanspruch-
ten vor allem Vertreter der preußischen Stände mehrfach für sich das Recht, zu
den Verhandlungen zwar zu erscheinen, sich aber nicht an den Verhandlungen
zu beteiligen; sie begründeten diese Haltung mit logistischen Aspekten oder
dem Verweis auf mangelnde Instruktionen seitens der entsendenden Städ-
te und Adeligen.^ In zahlreichen Debatten forderte hingegen Kazimierz IV.
nachdrücklich ihre Stellungnahme zu außen- oder steuerpolitischen Fragen
ein. Seine Forderungen gründeten auf der Vorstellung eines gemeinsamen
Handelns von König und Ratgebern für das Allgemeinwohl im Königreich.
Ihm zufolge war dieses Reich ein Körper, der aus allen Ständen gebildet wur-
de, aus den polnischen ebenso wie aus den preußischen.^ Unabhängig davon.

131 Vgl. dazu erneut den Hinweis Juliusz Bardachs, dass sich die Praxis der Befolgung königlicher
Einladungen und damit der persönlichen Teilnahme am Sejm ohne eine Verpflichtung dazu
ausbildete: BARDACH, O stawaniu si§, S. 35. S. auch die Darlegungen in Kapitel B.11.2.
132 Entsprechende Argumente wurden auf den Versammlungen der Jahre 1469,1472,1479,1488
und 1490 hervorgebracht. Als Ausgangspunkt dieser Debatten kann die Zusammenkunft im
November 1469 angesehen werden. In jenem Jahr waren die Sendboten der preußischen Stän-
de zum Sejm gerufen worden, um sich an der Diskussion um die Wahl von Kazimierz' IV.
Sohn Vladislav zum böhmischen König zu beteiligen. Aus Furcht vor der Befangenheit der
polnischen Teilnehmer ihnen gegenüber und aufgrund des Mangels an einschlägigen Instruk-
tionen erörterten die preußischen Sendboten, ob sie zu den Beratungen gehen sollten. Schließ-
lich verwies der Bischof von Kulm darauf, dass allein ihre Anwesenheit und die Anhörung
der Beratungen entscheidend seien, auch wenn kein Rat erteilt werde: d/den fiaadc, ;r sadct
dornwd niedt nnsers derrn donigs ratd wei/den Mud den nid# oerswedn adder encd setdist nnwirdig
waeden, Mud apir nid# ge/roget werdet, so weget ;r gteiedwot czM ratde dornen, ;r sedet Mud doret woi,
das wen uor dt/ eidesfeM deran /roget. Rezess der Stände Polnisch-Preußens, in: THUNERT, Acten I,
Nr. 25, S. 123-145, hier S. 132.
133 Ein Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen war das Jahr 1485, als Kazimierz IV. sich in
Thorn mit den preußischen Ständen, die sich zu einer Konföderation mit dem umstrittenen
Bischof von Ermland, Nikolaus von Tüngen, zusammengeschlossen hatten, verhandelte und
die Debatten wenig später auf dem Sejm in Piotrköw fortführte. In Thorn beschwor er das
Gemeinhandeln von König und Versammlung: ded di/n enwire dorre Mud daidc mei/ne retd ;'a
grossere wirdideit Mund tdn ade ding wi/t i/rem ratde ... Wastz wir tdnn, gesedd/t uors gemei/ne desto.
Rezess der preußischen Stände, in: ASPKI, Nr. 200, S. 279-366, hier S. 303. Auf der Tagfahrt zu
Elbing, die zeitgleich zum Sejm von Piotrköw stattfand, appellierte ein königlicher Gesandter
an das Reichsbewusstsein der preußischen Stände: ddoed so ist set/ae gnade uonne ened dogernde
 
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