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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0061

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60

B. Polnische Reichsversammlungen

handlungen, in den Reden und Abstimmungen zudem die Binnenhierarchie
der Teilnehmer, flexibilisierbar durch die Konkurrenz um Herrschaftsansprü-
che und -teilhabe.^

fff.2.1. DasyfM/mcMzdtüc/ic ZcmmonicH
Anders als für die spätmittelalterlichen Zusammenkünfte sind für die Ver-
sammlungen des 16. Jahrhunderts sowohl der Verlauf einzelner Zusammen-
künfte als auch der Ablauf von Versammlungen gründlich untersucht wor-
den.'^ Er kann in das komplexe Eröffnungszeremoniell und die Regeln für die
Verhandlungen unterteilt werden. Zum Auftakt der Versammlung wurde eine
feierliche Messe abgehalten, auf welche die Konstituierung der Landboten-
kammer folgte. Hier wurden der Marschall gewählt und vereidigt, ein Sekretär
sowie einige Protokollanten ausgewählt und schließlich die Gültigkeit der Ab-
geordnetenmandate geprüft. Zu Beginn des Inaugarationsaktes, der aus dem
Zusammentreffen der drei Sejmstände, also des Königs, des Senats als Kam-
mer des hohen Adels und der Landbotenkammer, dem Gremium der Vertreter
der Länder, bestand, begab sich eine Gesandtschaft von Landboten zum Senat,
um den König über die Ziele und Lorderungen der Kammer zu informieren.
Auf Einladung einer Senatorendeputation gingen dann alle Landboten in einer
Prozession zum Senat, stellten sich hinter den Senatorenbänken auf und be-
grüßten nach den Reden des Marschalls und des Kanzlers den König mit einem
Handkuss. Erst danach begannen die Verhandlungen, in denen zunächst die
königliche Proposition durch den Kanzler verlesen wurde. Reihum nahmen
die Senatoren in ihren Voten sodann dazu Stellung. In der Landbotenkammer
wurden die Lorderungen des Königs sowie die Senatoren-Voten separat bera-
ten. Ähnlich wie im Senat galt auch in der Landbotenkammer nicht das Prinzip
der Gleichheit. Die Abstimmungen erfolgten vielmehr der Reihe nach, wobei
die höheren bzw. vorderen Plätze stets von einflussreichen Vertretern mäch-
tiger Länder und Regionen eingenommen wurden. Die Ergebnisse der Diskus-
sionen in der Landbotenkammer wurden in Lorm eines vereinbarten Textes
dann im Senat in Anwesenheit des Königs und der Senatoren durch den Mar-

CM; u;sMW fMen'f, appcNcf. Art. 27, in: Monumentum, S. 127. Entscheidend für das 15. Jahr-
hundert ist in dieser Hinsicht weniger, dass es in einigen Jahren mehrere Versammlungen gab,
als vielmehr, dass es kaum Jahre gab, in denen keine allgemeine Versammlung zusammentrat.
Vgl. dazu die Zusammenstellungen bei EALKOwsKi, Sejmy bez krola, S. 254 sowie DERS., Rok
trzech sejmöw, S. 437f.
138 EALKOwsKi, Sejmy bez krola, S. 251.
139 Vgl. für die folgende Darstellung LiLEYKO, Sejm Polski, S. 11-18 sowie BARDACH, Sejm dawnej
Rzeczypospolitej, bes. S. 30-35. Einen knappen Überblick über die Struktur des frühneuzeit-
lichen Sejms mit Verweisen auf die reichhaltige polnische Literatur gab jüngst KoLjA LicHY,
Reden als Aushandeln, S. 153f. sowie DERS., Wider die Sejm-Komödie, S. 217-224. Exempla-
risch kann der im Folgenden beschriebene Ablauf der frühneuzeitlichen Sejm-Sitzungen an
der Lektüre der aus dem 16. Jahrhundert überlieferten Diarien nachvollzogen werden. Vgl.
z.B. das Diarium, das den vom 3. Oktober bis 12. Dezember 1548 andauernden Sejm in Pio-
trkow beschreibt: Diaria Comitiorum, S. 161-258.
 
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