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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0084

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IV. Im Gedächtnis der Zeit: Historizität und Wahrnehmung

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wurden dagegen die Position des Sejms im Ordnungsgefüge oder dessen Zu-
ständigkeitsbereiche so direkt kommentiert, wie dies z.B. Kardinal Oiesnicki
1449 in einem Schreiben an Königin Zofia getan hatte. Oiesnicki berichtete der
Königin von den wichtigen politischen Debatten des Jahres und kam dabei zu
dem Schluss, er könne die königliche Entscheidung, auf dem bevorstehenden
Reichstag die Anerkennung seines Kardinalsrangs zu verhandeln, nicht billi-
gen, da derartige Angelegenheiten nicht auf allgemeinen Versammlungen ver-
handelt werden sollten/
Ein Indiz für die Bedeutung, die dem Sejm von den Zeitgenossen hinsichtlich
der Entscheidung politischer Sachverhalte bei gemessen wurde, ist die Reichwei-
te und Weiterbehandlung der Vereinbarungen, die während der allgemeinen
Zusammenkunft erzielt worden waren. Da die auf dem Sejm zu treffenden Ent-
scheidungen in aZU seinem reiche Gültigkeit haben sollten, benötigte der Köni^
zu ihrer Umsetzung die Billigung der einzelnen Länder und ihrer Vertreter.
Dieser Vorgang konnte mit der Zustimmung der Länder sehr schnell vonstat-
ten gehen, wie etwa 1457, als die Erhebung einer Steuer auf der Provinzial-
versammlung im kleinpolnischen Nowe Miasto Korcz^n bestätigt und sofort
Beamte mit dem Eintreiben der Steuer betraut wurden/ ^ Die Vorstellung, dass
auf dem Sejm Beschlüsse für das gesamte Reich gefasst wurden, wurde glei-
chermaßen vom König wie auch von verschiedenen Adeligen vertreten. In dem
königlichen Statut »De Pecunia bracata« von 1451 heißt es etwa, dass die Ver-
sammlung für das gesamte Reich abgehalten wurde; entsprechend sollten auch
die Beschlüsse über die Geldkurse im gesamten Reich gleich gelten/^ Auch Jan
Rytwiahski, der Krakauer Vertreter, der 1459 beim zweiten Sejm des Jahres Ka-
zimierz IV. und seine Herrschaft scharf kritisiert hatte, sprach pro omuerso rogno
und prangerte entsprechend auch die Lage des Königreichs an. Kazimierz IV.
aber sollte sich auf seine genuinen Herrscheraufgaben besinnen und Verant-
wortung als Verteidiger des Königreichs übernehmen/^ Dass sich neben dem
König auch die Vertreter der adeligen commMmhzs als verantwortlich für die
Sicherheit und Einheit des Reichs ansahen, zeigt auch das Zustandekommen
der Versammlung, auf der Rytwiahski sprach. Dem Chronisten Dlugosz zu-

219 CE 1,2, Nr. 55, S. 60f., hier S. 61: cjMMm magna esse! ?M?;oMos?as, ei maxäMMM c?ec?ecMS non soinm noNs
sec? ei Sec?? aposio??cae, s? c?e c??gn?iaie Cnrc??nn?nins, c?nae ?am no?ns co??aia esi, ei cynam accepiaoimns,
c?e?vrei a??c?n?c? ?n Conueni?on??ncs genera???ncs siain? ani c?ecern?.
220 Vgl. den Bericht des Johann Lindau zum zweiten Sejm des Jahres 1459, in: SRP 4, Danziger
Chroniken, hier S. 562f.
221 Annales seu cronicae XII, S. 293. Auch 1472 wurde bereits drei Wochen nach Beendigung des
Sejms und der anschließenden Zustimmung durch die Provinziallandtage in den Akten des
Krakauer Kapitels vermerkt, dass Kollektoren zur Eintreibung der königlichen Steuer gewählt
wurden. Acta capitulorum Crac., Nr. 163, S. 39.
222 De Pecunia bracata, in: Jus Polonicum, S. 261-263.
223 Annales seu cronicae XII, S. 329f. Wie bedeutend der Glaube an das Gemeinhandeln für das
Reich war, zeigte sich auch 1453, als die Teilnehmer des Sejms nach fünftägigen erfolglosen
Verhandlungen bereits den Untergang ihres Gemeinwesens befürchteten: E? c?MM M??;?? spe? rc-
sfaref, acfMM esse c?e ropM?4?ca Rcgn? Po?on?o ef rehmem e?MS ac?ooM?sso pM?4?o? uoce c?ep?ora?WMf. Kurz
darauf wurde die Versammlung pro s?a?^'??moM?o regn? deshalb in zwei Gremien geteilt. Vgl.
ebd., S. 163.
 
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