Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0111

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
110

C. Ungarische Reichsversammlungen

doch nicht per Dekret festgelegt.^ Für die Wahl Budas sprechen verschiedene
Gründe: Buda hatte im Spätmittelalter die Stadt Esztergom als Herrscherresi-
denz abgelöst und »allmählich die Rolle einer Hauptstadt übernommen« (Ku-
binyi). Als Sitz der königlichen Residenz, Behörden und Gerichte war Buda
zudem häufig Ziel von Vertretern der verschiedenen Landesteile, die Angele-
genheiten bei Hofe zu erledigen hatten. Die günstige Lage der Stadt an der Do-
nau, dem »Hauptverkehrsweg des Landes vom Westen nach Osten«, ermög-
lichte zudem eine vergleichsweise problemlose Anreise.^
Buda war aber auch der traditionelle Tagungsort des königlichen Rates,
eines elitären Magnatenkreises. Zieht man dies in Betracht, so offenbart sich
ein Zusammenhang zwischen der Wahl des Versammlungsortes und der Zu-
sammensetzung der Versammlung, den eine Gegenüberstellung der in der Re-
gierungszeit des Mätyäs Hunyadi durchgeführten Reichstage mit denjenigen,
die unter seinem Nachfolger Vladislav II. abgehalten wurden, zu illustrieren
vermag. So entspricht der konsequenten Entscheidung für Buda als Versamm-
lungsort durchaus auch Mätyäs' Einladungspraxis. Der König lud nämlich nur
wenige Male den gesamten Adel des Reichs - neben den Prälaten und Baronen
auch die Gesamtheit des einfachen Adels aus den Komitaten - zum Reichstag
ein/3 Stattdessen versuchte er mehrfach, die Größe und Zusammensetzung des
Teilnehmerkreises aktiv zu beeinflussen oder gar zu gestalten, indem er allge-
mein um die Entsendung von Komitatsvertretern bat oder in seinen Schreiben
an die Komitate oder Städte genau vorgab, wie viele Abgeordnete diese entsen-
den sollten.^ Die Zahl der Versammlungsteilnehmer schwankte entsprechend
der Vorgabe im Einladungsschreiben. Bei der Mehrzahl der Reichstage unter
König Mätyäs handelte es sich aber keinesfalls um Massenzusammenkünfte.^
Ganz anders stellte sich die Situation unter Mätyäs' Nachfolger dar: Vladis-
lav II. war nach der extensiven Besteuerung des Landes durch seinen Vorgän-

76 Allerdings durfte die Versammlung nicht außerhalb des Landes abgehalten werden, vgl. Bö-
Nis, Feudal Diet, S. 294. Noch in den Gesetzen von 1222 oder etwa 1267 war bestimmt worden,
dass jährlich am St. Stephanstag eine Versammlung des Herrschers mit seinen Getreuen am
Krönungsort Szekesfehervär stattzuhnden habe. In ihrer Untersuchung zu den Generalver-
sammlungen des 12. und 13. Jahrhunderts wies Erzsebet Kiss indes darauf hin, dass sich jene
Vorgaben vorrangig auf Gerichtstage bezogen hätten; bereits die »politischen Zusammen-
künfte« des Herrschers mit dem Adel im 12. und 13. Jahrhundert hätten dagegen in der Umge-
bung Budas oder in anderen Landesteilen stattgefunden. Kiss, Kirälyi generalis kongregäciö,
vgl. dort besonders die Übersicht S. 51-54.
77 KuBiNYi, Geschichte der Hauptstadt, S. 16.
78 Einladungen an die »Gesamtheit« des Adels (MMÜvrsdas regm), beim Reichstag zu erscheinen,
ergingen in den Jahren 1458, 1462, 1463,1471 und 1475. Es sei bereits an dieser Stelle darauf
verwiesen, dass Mätyäs die MMÜvrsdas offenbar vor allem in politischen Ausnahmesituationen
zur Teilnahme am Reichstag aufrief. Vgl. dazu Abschnitt 3 in diesem Kapitel.
79 Konkrete Vorgaben für die Menge der zu entsendenden Komitatsvertreter findet sich in den
Einladungsschreiben bzw. Dekreten der Jahre 1459,1466,1468,1470,1473,1477 und 1490. Die
Zahl der jeweils angeforderten Abgeordneten schwankte zwischen zwei und vier. In den Jah-
ren 1464,1472,1474,1476,1478,1481,1481,1486 und 1488 nahmen jeweils Vertreter aus den
Komitaten teil, ohne dass eine genaue Vorgabe für die jeweilige Delegationsstärke belegt ist.
80 Zur Größe und Zusammensetzung der Teilnehmerschaft vgl. auch die weiteren Ausführun-
gen in Abschnitt 3 dieses Kapitels.
 
Annotationen