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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0138

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III. Vereinbarung: Ablauf und Verhandlungen

137

mäßigkeit der Beschlüsse unterstrichen werden.^ Unter der »Vertretung des
gesamten Reichs« ist jedoch nicht eine im modernen Sinne repräsentative Ab-
bildung der Gesellschaft zu verstehen.'^ Die Formel einer für das Königreich
stehenden Gemeinschaft fasste vielmehr die zur politischen Teilhabe berech-
tigten Personen, die Teilnehmer des Reichstags zu einer Gemeinschaft zusam-
men. Dadurch wurde der Versammlung zugleich die Berechtigung verliehen,
Entscheidungen für das gesamte Reich zu treffen. Auch hier ist eine Anlehnung
an die omncs tangit-Vorstellung zu erkennen, allerdings in Gestalt eines
übergeordneten Kollektivbezugs für die Versammlung. Vor diesem Hinter-
grund waren auch politische Entscheidungen zu rechtfertigen, die von einer
Versammlung getroffen wurden, welche in Absenz des Königs stattfand.'^ Der
Begriff des Königreichs wurde in diesem Kontext freilich nicht sehr präzise
verwendet. Dem rcgmim waren in den Reichstagsdekreten die Teilnehmer der
jeweiligen Versammlung zugeordnet, also zumeist Prälaten und Barone, mit-
unter - wie etwa 1459 - aber auch Vertreter der einzelnen Komitate.'^ Städ-
tische Vertreter, die 1459 mehrfach vom König zur Teilnahme am Reichstag
aufgefordert worden waren, fanden in dieser Aufzählung keine Berücksichti-
gung. Dass aber zumindest auch die königlichen Städte als Reichsglieder ange-
sehen wurden, belebt das bereits zitierte Schreiben an Kaschau und Pressburg
aus dem Jahr 1489. Über die wiederholte Bezugnahme auf eine übergeord-
nete Kollektivordnung wie das rcgmim wurde dem omncs huigü-Prinzip
entsprechend kommuniziert, dass eine reichsrelevante Angelegenheit von der
politischen Gemeinschaft, jenen Akteuren also, die als zur politischen Teil-
habe berechtigt angesehen wurden, entschieden worden war und entspre-
chend auch für das gesamte Reich Gültigkeit besaß.
Die dabei beschworene Gemeinsamkeit spiegelte sich nicht nur in der per-
sönlichen Zusammenkunft der Reichsglieder, sondern auch in gemeinsamen
Beratungen und der gegenseitigen Übereinstimmung (MiMnwmm uoütm, com-
mums uo/MMüzs, Consensus) wider. Entscheidungen waren in einmütiger
Weise von dem König und den Ständen bzw. von den Ständen mit der Appro-

184 Für dieses Bedürfnis einer formalen Absicherung spricht auch die Bestätigung der Beschlüsse
durch eine weitere Urkunde. Diese wurde ergänzend zu den Reichstagsbeschlüssen von den
Adeligen im Namen des Königs und mit seinem Siegel herausgegeben. Vgl. dazu DRH 11,
S. 219.
185 Vgl. dazu auch die Überlegungen von THOMAS BissoN, Celebration and Persuasion, S. 184f.
186 Gleichwohl wurden die Bestimmungen von König Mätyäs 1475 nachträglich COMSCMSM special;
gebilligt. Vgl. dazu Nr. 240, in: Cod. Zichy XII, S. 297-301. Auch 1476, als der Reichstag ohne
den König stattfand, stimmte Mätyäs auf Bitten der Stände den Beschlüssen im Nachhinein
zu, vgl. DRH 11, S. 229f.
187 So wurde in der Einleitung zum Dekret vom 5. Januar 1459 darauf verweisen, dass preiafi,
Earones, MoMes ac & comifafM ^MafMor eiecf; CMW piena /acMÜafe miss; fofMW regMMW
represeMfaMfes luter aiia zum Reichstag gekommen seien. DRH 11, S. 109f.
188 Vgl. erneut das Schreiben vom 15. Dezember 1489, in: DRH 11, S. 330. S. auch das Einladungs-
schreiben Schreiben für Bärtfa (1459): KATONA, Historia critica 14, S. 166f. Auf die Problematik
der Interpretation von regMMW verwies unter Berücksichtigung verschiedener Hypothesen
György Bönis: BÖNis, Feudal Diet, S. 291.
 
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