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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0149

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C. Ungarische Reichsversammlungen

von einem Senat sprach, ist es nicht falsch, seine Aussage auf den ungarischen
Reichstag zu beziehen, ging es im Gespräch mit Giugni doch um städtische
sowie reichsweite Entscheidungsgremien. Wie die Regelmäßigkeit der einbe-
rufenen Versammlungen belegt, wollte der König aber offenbar nicht auf die
gemeinsamen Zusammenkünfte mit den Adeligen und Komitatsvertretern
verzichten - auch diese Auffassung gab Brandolinus wieder: »Ich denke, dass
der König nichts ohne den Ratschlag anderer Personen tun sollte.... Ratschläge
werden gegeben, indem man seine Meinung kundtut, nicht aber indem man
abstimmt, so dass wirklich jeder frei heraus sagen darf, was er denkt. Das ...
geschieht auch vor dem Herrscher, der seine eigenen Berater in allen Dingen
um Rat fragt. ... Es geziemt sich nämlich, dass diejenigen, um deren Rat in
Angelegenheiten, die alle betreffen, gebeten wird, auch von überall her aus-
gewählt werden.«^ Tatsächlich hatte Mätyäs, das wurde an anderer Stelle be-
reits detailliert dar gestellt, mehrfach auf die Notwendigkeit verwiesen, grund-
legende politische Angelegenheiten gemeinsam mit den Adeligen des Reichs
zu entscheiden.^
Aus Sicht des Königs ging es auf dem Reichstag also vor allem darum, die
Zustimmung und Unterstützung der einflussreichen Adeligen für seine Poli-
tik zu gewinnen. Darüber hinaus konnte der Reichstag aber auch als Forum
für Versöhnung und umfassende Vereinbarungen fungieren. So berief er kurz
nach dem Ausbruch der Adelsrebellion 1471 einen Reichstag ein, um sich der
Treue der Adeligen zu versichern und die Versöhnung mit den Verschwörern
herbeizuführen. Wie den einzelnen Reichstagsdekreten zu entnehmen ist,
hatten die adeligen Reichstagsteilnehmer vor allem in den Jahren vor der Re-
bellion dem König auf Reichsversammlungen Beschwerden vorgetragen und
Unzufriedenheit mit der königlichen Politik artikuliert.^ Ob die Versamm-
lung dabei tatsächlich als Bühne für den Austrag grundlegender Konflikte und
Auseinandersetzungen genutzt wurde, ist aus den vorliegenden Quellen nicht
ersichtlich. Aus den ständischen Bemühungen um die rechtliche Absicherung
und Durchsetzung eigener Gesetzesinitiativen geht aber durchaus hervor, dass
die adeligen Teilnehmer die Reichsversammlung zumindest phasenweise als
Forum für ein gegenüber dem König eigenständiges Gemeinhandeln wahr-
nahmen.

Piafo a^rwaf, ad regiam digMifafew proprie perfiMef. Brandolinus Lippus, De comparatione,
Lib. II, S. 117 (eigene Übersetzung). Angespielt wird hier auf Platons Nomoi, 1.630d und
1.632d, vgl. HoPKiNS, Republics, S. 282, Anm. 6.
226 Brandolinus Lippus, De comparatione, Lib. III, S. 162 sowie Lib. I, S. 113 (eigene Übersetzung).
Freilich benötigte dieses Gremium nach Matyas' Auffassung einen Führer oder Moderator.
Vgl. ebd., Lib. III, S. 163.
227 So etwa im Kontext der Bemühungen um die Wiedererlangung der Stephanskrone 1462 oder
1464. Vgl. die Ausführungen zum Prinzip des QMod omaes faayd ... in Kapitel C.111.3.1.
228 ComvMfMS emm aiipMof in PMda iMdieif, in pMorMW MMO per piMres corrMpfeias et prowissiowes piero-
spMe de maioriiws siid ip/esfos ad se perfraxd et reeoMcdiauif. Annales seu cronicae XII-2, S. 276.
Noch vom Reichstag aus berichtete der König den Bürgern der Stadt Breslau, dass die Versöh-
nung geglückt sei: daed wisset, das wir mit gofs i?Mi/*Miciü awdirs de?me gaweze Mud wäre gehorsame
Mud trew uoM in aiier; daivr; (PCB Matthias I, Nr. 93, S. 66f.).
229 Vgl. etwa die Dekrete von 1468 und 1470, in: DRHII, S. 172-181 bzw. S. 182-189.
 
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