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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0151

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150

C. Ungarische Reichsversammlungen

Bevölkerung an ihn gerichtet worden waren, und versuchte, den Missbrauch
geltender Bestimmungen durch einzelne Beamte zu beenden/'^ Gesetze, so
scheint aus den bisherigen Beobachtungen zu schlussfolgern sein, wurden vom
König nicht nur erlassen, sondern in ihrer Bedeutung für das Reich hochge-
halten und geschützt. In diesem Kontext ist auch die Formulierung des Gna-
denerweises für den an der siebenbür gischen Rebellion von 1467 beteiligten
Pal Varjü einzuordnen. Er werde, so verlautbarte König Mätyäs, wieder in die
königliche Gnade aufgenommen und erhalte auch wieder Zutritt zum könig-
lichen Hof. Zum endgültigen Verlust königlichen oder adeligen Wohlwollens
jedoch werde ein erneutes Vorgehen ge^en den König oder die Gesetze des
Reichs bzw. der Versuch dessen führen/
Die Dekrete des Reichstags stellten sowohl ein Instrument des Herrschers
als auch gleichsam eine übergeordnete Instanz dar. In der Einleitung zur ers-
ten Gesetzessammlung, dem Decretum Maius von 1486, wurde dar gelegt, dass
Herrschaft nur durch den Gebrauch von Waffen und Gesetzen Missbrauchen
aller Art begegnen könne, und dass auf diese Weise das Reich für ewige Zeit
nach innen und außen gefestigt werde/^ In deutlichem Kontrast dazu steht
folgende Äußerung, die Brandolinus Lippus in seiner Schrift »De compara-
tione rei publicae et regni« dem König im Kontext einer Diskussion mit Do-
menico Giugni über die Gerechtigkeit und den Nutzen von Gesetzen (Buch
2) in den Mund legte: »Es ist doch offensichtlich, dass der König nicht Diener
oder Werkzeug der Gesetze ist, sondern ihnen vorsteht und sie beherrscht.
Weil dies so ist, wäre es besser den Königen zu gehorchen als den Gesetzen.«^
Und tatsächlich deuten zahlreiche Indizien auf einen gewissen Wahrheitsge-
halt dieser fiktiven Aussage hin: König Mätyäs erließ wiederholt individuelle
Ausnahmeregeln von den Reichstagsgesetzen oder nahm nach deren Ausga-
be Änderungen vor. Mehrfach wurden beispielsweise königliche Städte, die
unter die Steuerpflicht fielen, von der Zahlung befreit. Die sich hier offen-
barende Ambivalenz oder gar Widersprüchlichkeit kennzeichnete die Herr-
schaft von Mätyäs Huuyadi. So rief der König immer wieder die Bedeutung
und vor allem die geographisch wie auch personal umfassende Rechtskraft der
Reichstagsdekrete in Erinnerung und unterstrich auf diese Weise den Stellen-
wert der Reichsversammlung im Prozess der Entscheidungsfindung. Gleich-

235 Überdies sind Unterweisungen an die Regionen wie Kroatien und Slawonien erhalten, in de-
nen es nicht um individuellen Missbrauch, sondern vielmehr die prinzipielle Reichweite der
Reichstagsdekrete ging. Nach der Steuerreform 1467 etwa reagierte der König auf Beschwer-
den des kroatischen Adels und präzisierte, dass diese Gruppe nach Maßgabe der neuen Geset-
ze (und im Gegensatz zu bisherigen Privilegien) unter die Gruppe der Steuerpflichtigen falle.
Vgl. KATONA, Historia Critica 15, S. 211-215.
236 Urkunde vom 10. Februar 1468, in: Dipl. Com. Saros. - Dipl. Nobilitatis Nr. 65, S. 389ff.
237 Dekret vom 25. Januar 1486, in DRHII, hier S. 265f.
238 Regem ergo non iegMm rnddshMM atd msfrMmeMfMm esse, sed iegdws preesse dommari^Me perspicMMM
esf. QMod da sd, MMdo sadüs esf regdws oidemperare ^Mam iegdms. Brandolinus Lippus,
De comparatione, Lib. II, S.121 (eigene Übersetzung). Zu Brandolinus s. die Ausführungen in
Abschnitt 1.2. dieses Kapitels.
 
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