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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0165

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164

D. Deutsche Reichsversammlungen

Butte, dem 1356 zusammengestellten »kaiserlichen Rechtsbuch« Karls IV.,
wurden diese Fragen schließlich verbindlich geregelt. Dabei handelte es sich
freilich nicht um ein neu entworfenes Regelwerk; vielmehr wurden bereits
praktizierte Rechtstraditionen schriftlich fixiert und stellten damit gleichsam
einen ordnenden Referenzrahmen bereit, der auch in künftigen Zeiten Kon-
flikte vermeiden sowie Friede und Eintracht im Reich gewährleisten sollte.^
Neben den rechtlichen Bedingungen des Königtums, die mit den Festlegungen
zur Königswahl, der Benennung der zentralen Orte des Reichs und der De-
finition der königlichen Rechte bestimmt wurden,^ wurde das Miteinander
von König und Kurfürsten im Reich organisiert. Ordnungen für das Sitzen,
das Gehen und schließlich die gemeinsame Mahlzeit bei öffentlichen Hand-
lungen bildeten eine konsensuale Herrschaftsauffassung ab, bei welcher der
König zwar als Haupt des Reichsverbundes agierte, das »Reich als Handlungs-
gemeinschaft« jedoch erst gemeinsam mit seinen Säulen, den ihn beratenden
und umgebenden Kurfürsten, repräsentierte.^
Entscheidend für die Entwicklung des politischen Beratungswesens im
Reich waren vor allem die Definition einer Herrschaftselite, des Königs und
der Kurfürsten nämlich, und die verbindliche Festlegung von Handlungsprin-
zipien jener Gemeinschaft. Durch die einschlägigen Gesetze wurden das Mit-
einander der Leistungsträger im Reich in einen gewissen Regelrahmen einge-
passt und zugleich Möglichkeiten zu einem geregelten Austrag von Konflikten
aufgezeigt.^ Mit der rechtlichen Definition der Kurfürsten als Königswähler
und der Festlegung ihres Vorrangs vor anderen Reichsgliedern fixierte die Gol-
dene Bulle schließlich die Erweiterung des Reichsgefüges um ein kurfürstliches

22 So kündet bereits das Proömium von der Absicht, durch die Regelungen des Rechtsbuchs im
Reich Frieden und Ordnung herbeizuführen. Dabei wurde die Einigkeit unter den »Säulen
des Reichs«, den Kurfürsten als konstitutiv für die Stabilität des »Reichsgebäudes« angese-
hen. (TM fMuidM,... Mt coMCMSsis coiMmpm's fofMm cdi/i'dMW rM;nc SMiweres, diuisioMcw luter
sepfem eieefores sacr; imperii, per (?Mos ueM sepfew caMdeiaFra iMceMcia in MMÜafe SpirÜMS seph/brmis
saerMW iÜMWiümr;' &Tcf ImperlMW, WMÜoeieMS posMish.) Die Gesetze der Goldenen Bulle seien
daher erlassen worden, um die Eintracht der Kurfürsten zu fördern und die Einmütigkeit der
Königswahl zu sichern (ad MMdafew luter eleetores /öueMdaw et eleetloMew MMMMlwew iMdMceM&w).
ZEUMER, Die Goldene Bulle, 2. Teil, S. 7.
23 Die Bestimmungen zur Königswahl und den Privilegien der Kurfürsten wurden vor allem
in jenen Kapiteln vorgenommen, die auf dem Nürnberger Hoftag im Januar 1356 verkündet
worden waren (Kapitel 1-IV: Regelung der Königswahl und -krönung; Kapitel VIII-XXIII: De-
finition und Charakterisierung der Königswähler). Sie wurden auf dem Metzer Hoftag im
Dezember 1356 um Regelungen zum Ablauf und zur zeremoniellen Ordnung von öffentli-
chen Versammlungen im Reich ergänzt (Kapitel XXIV-XXXI). Vgl. dazu ScHNEiDMÜLLER, Das
spätmittelalterliche Imperium, S. 211.
24 ScHNEiDMÜLLER, Das spätmittelalterliche Imperium, S. 227. Aus der reichhaltigen Literatur zur
Goldenen Bulle vgl. die grundlegende Studie von HERGEMÖLLER, Fürsten, Herren und Städte
sowie die jüngsten Beiträge in: BROCKHOFF/MATTHÄus, Kaisermacher sowie Die Goldene Bulle,
hg. von HoHENSEE et.al. Zur Wahrnehmung der Kurfürsten als »innerste Räte« des Kaisers in
Mittelalter und Frühneuzeit vgl. GoTTHARD, Säulen des Reichs, S. 15ff.
25 Freilich sollte sich das Modell der königlich-kurfürstlichen Handlungsgemeinschaft als
Hauptträger des Reichs als zu eng erweisen. In den Matrikellisten des 15. Jahrhunderts wur-
den deshalb mit Fürsten, Grafen, Herren und Städten weitere Leistungsträger benannt. Vgl.
PELTZER, Das Reich ordnen, S. 111.
 
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