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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0169

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D. Deutsche Reichsversammlungen

Im Kontext von >Reformdebatten< wurde die Diskussion ständischer Anlie-
gen auf den Reichsversammlungen, im Rahmen von königlosen Tage ebenso
wie von in Anwesenheit des Herrschers abgehaltenen Reichsversammlungen,
immer enger mit Auseinandersetzungen um die Bereitstellung einer Reichs-
hilfe verbunden. So ersuchten die Herrscher im 15. Jahrhundert für die Pla-
nung und Durchführung großer militärischer Züge, etwa derjenigen gegen die
Hussiten, die Osmanen oder den ungarischen König Mätyäs, auf den Reichs-
versammlungen beinahe kontinuierlich die finanzielle Unterstützung durch
die Reichseinwohner. Die ständische Hilfspflicht war jedoch auf Gebiete bzw.
Angelegenheiten des Reichs bezogen. Um einen Anspruch darauf geltend ma-
chen zu können, musste der König deshalb die jeweiligen Konflikte als Ange-
legenheiten des Reichs deklarieren - zunehmend wurde zwischen Bereichen
der Territorialität und des Reichs unterschieden.^ Deutlich ist zu erkennen,
dass Forderungen nach außenpolitischen Offensivmaßnahmen die Postulate
einer Konsolidierung der Verhältnisse im Reich verstärkten. Seit den 1450er
Jahren machten vor allem die Kurfürsten die innere Ordnung und den Frieden
im Reich zur Voraussetzung für die Leistung einer Reichshilfe.^ Der Zusam-
menhang zwischen Reformforderungen und Reichshilfedebatten war jedoch
nicht nur politisch-strategischer Natur. Mit den Auseinandersetzungen über
die Eintreibung einer Reichshilfe waren auch Fragen zur Struktur des Reichs
verbunden. Neben der Entscheidung, ob die Reichshilfe zu leisten war, galt es
zu befinden, in welcher Weise die Gelder erhoben wurden und wer sie zu zah-
len hatte. Die in diesem Zusammenhang aufgestellten Anschlags-Ordnungen
oder die Matrikellisten benannten mit den Zahlungspflichtigen Gliedern des
Reichs gleichsam dessen Leistungsträger.^

Vorschlag, eine dauerhafte kurfürstliche Vertretung beim Kaiser einzurichten, die den Herr-
scher als Rat beraten und das Gerichtswesen im Reich kontrollieren sollte. Für den Fall der
kaiserlichen Abwesenheit sollte ein Präsident dieses Rats benannt werden. Vgl. den Text bei
MÜLLER, Reichstags-Theatrum, III. Vorstellung, S. 509-514, bes. S. 513.
37 IsENMANN, König oder Monarch?, S. 92. Vgl. dazu auch HELMRATH, Köln und das Reich, S. 10
sowie die Ausführungen in den Kapiteln D.111.1. und D.IV.l. Zur Diskussion von Hilfs- und
Gehorsamsansprüchen am Beispiel der Reichshilfe gegen Mätyäs von Ungarn s. außerdem
IsENMANN, Kaiserliche Obrigkeit, S. 322-337.
38 Ein dezidiertes Junktim zwischen Reform und Reichshilfe war erstmals im Kontext des Re-
gensburger Reichstags 1454 formuliert worden. In seiner Rede verdeutlichte der für den Erz-
bischof von Trier sprechende Gelehrte Johannes von Lysura, dass der Kaiser - solle den MM-
gLMHgCM TMrAeM wi&rshm&M werden - ins Reich kommen und gemeinsam mit den Kurfürsten
und Fürsten zuerst für der dinge eder wider M/fneirMnge ordennng nnd Fesfeiinng sorgen müsse.
Aufzeichnungen aus der Kanzlei Ludwigs von Bayern, in: RTA 19,1, F Nr. 29-3, S. 246. Zum
Zusammenhang zwischen Reichsreform und Reichshilfe vgl. auch IsENMANN, Kaiser, Reich
und deutsche Nation, S. 219f.
39 Die erste umfassende >Reichssteuer< wurde 1422 beschlossen und basierte auf der Reichs-
matrikel. Weitere Beschlüsse umfassender Steuererhebungen ergingen in den Jahren 1427
und 1471 bzw. 1474. Im Gegensatz zur Inpflichtnahme jedes Reichseinwohners, die bei allge-
meinen Steuern vorgesehen war, wurden die gegen Ende des 15. Jahrhunderts diskutierten
Geldmatrikel (erstmals 1486 beschlossen) auf die Reichsstände zugeschnitten. Wie bei der
Veranschlagung von Truppenkontingenten wurde bei diesem Modell den Reichsständen je
eine bestimmte Geldsumme auferlegt. Einen konzisen Überblick über das Finanzwesen im
15. Jahrhundert und die unterschiedlichen Modelle zur Leistung der Reichshilfe in Truppen
 
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