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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0171

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D. Deutsche Reichsversammlungen

Da der König sich infolge dieser Politik nicht nur geographisch, sondern
auch strukturell mehr und mehr von den politischen Zentren des Reichs ent-
fernte, erhöhte sich für ihn der Druck, die unterschiedlichen Gruppierungen
im Reich zu integrieren und zu halten.^ Statt sich jedoch um die gezielte Ein-
bindung bedeutender politischer Akteure in seine Entscheidungsstrukturen zu
bemühen, regierte der Habsburger vor allem durch Delegation und Gebot.^
Auf der Verbindung von Befehl und Gefolgschaft gründend schien dieses
Herrschaftsverständnis eine direkte Anwesenheit im Reich aus Sicht des Herr-
schers nicht unbedingt erforderlich zu machen.^
Sicherlich auch wegen dieser Regierungsauffassung und der Fokussierung
seiner Politik auf habsburgische Angelegenheiten sah sich Friedrich III. stär-
ker als andere Herrscher vor ihm mit grundsätzlicher Kritik und nachdrück-
lichen ständischen Mitspracheforderungen konfrontiert. Den im Kontext von
Reichsversammlungen vorgetragenen Reformanliegen stellte er freilich eigene
Forderungen an die Glieder des Reichs entgegen. Die von den Kurfürsten und
Fürsten mehrfach konstatierte Verantwortung für das Reich bestimmte Fried-
rich III. vor allem als Verantwortung für die Unterstützung des Herrschers bei
seinen Bemühungen um den Schutz des Reichs und seine Friedenswahrung.^
Dieser Zusammenhang wurde im Kontext jener Reichsversammlungen beson-
ders manifest, auf denen nach der symbolträchtigen Eroberung Konstantino-
pels durch die Osmanen (1453) über die Organisation einer >Türkenabwehr<
beraten wurde. Durch die Stilisierung von klaren Feindbildern und der Pro-
pagierung einer für die gesamte Christenheit bedrohlichen >Türkenfrage<, die
einen zuvor ungekannten Stellenwert in öffentlichen Debatten einnahmen,
wurde der Kaiser in seiner Funktion als Universalherrscher und Beschützer der

S. 136. Zu dem Engagement des Königs in den Erbländern s. auch HEiNiG, Kaiser Friedrich III.,
S. 1322.
45 Vgl. dazu HEiNiG, Vollendung, S. 15.
46 IsENMANN, Integrations- und Konsolidierungsprobleme, S. 137f. Die Entfremdung von den
Strukturen des Reichs zeigte sich auch in der Organisation des höfischen Systems: Friedrich
rekrutierte seine Ratgeber und Hofleute vornehmlich aus der Hausmacht und königsnahen
Landschaften. Vgl. dazu HEiNiG, Kaiser Friedrich III., S.1321f. Vom Nürnberger Reichstag be-
richtete im November 1444 der Domherr von Frauenburg, der König habe sich dort so geriert,
als ob er meine, &s cm die derreM /herstcM ZM/Messe/d^" SMiden (RTA17, C Nr. 237a, S. 511).
47 Heinig spricht gar von einem beinahe »aristokratischen Majestätsbewusstsein«, vgl. HEiNiG,
Kaiser Friedrich III., S. 1325. Dieses Herrschaftsverständnis, wonach Friedrich vor allem eige-
ne Bestimmungen für politisch ausschlaggebend hielt, wurde in der Forschung mitunter et-
was überspitzt bereits in den Beginn seines Königtums gedeutet. So sahen Koller und Heinig
bereits in der zeitlich leicht verzögerten Annahme seiner Wahl zum römisch-deutschen König
im Jahr 1440 einen Beleg dafür, dass Friedrich nicht den Beschluss und gemeinsamen Willen
der Kurfürsten als Voraussetzung seines Königtums anerkannte, sondern nur seine eigene
Entscheidung. Vgl. etwa KoLLER, >Art. Friedrich III.< und HEiNiG, Kaiser Friedrich III., Erster
Teil, S. 71. Wie Andreas Büttner jedoch jüngst verdeutlichte, hatte Friedrich auf ein Glück-
wunschschreiben der Stadt Frankfurt lediglich mit dem Verweis geantwortet, dass ihm die
offizielle Verkündung der Wahl uon des dcdigCM reieds wegen noch nicht zugegangen sei. Vgl.
das Schreiben in: RTA 15, Nr. 104, S. 180 sowie BÜTTNER, Der Weg zur Krone, Kapitel 5.15.1.
Für die Einsicht in das Manuskript dieser Monographie vor deren Erscheinen bin ich Andreas
Büttner sehr verbunden.
48 Vgl. dazu die obigen Ausführungen sowie die Fallanalysen in den folgenden Kapiteln.
 
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