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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0179

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178

D. Deutsche Reichsversammlungen

deren Besuch aufforderten, in ihrem Schreiben eine Ordnungsvorstellung, die
zugleich historisch verankert wie auch der Zukunft verpflichtet war. Durch ihr
Zusammenwirken im Rahmen der Versammlung sollten die Ehre und Würde
des Reichs nicht nur wiederhergestellt, sondern auch für kommende Zeiten
bewahrt werden.^
Angesichts eines solchen Bemühens um eine Verankerung der Reichsord-
nung in der Vergangenheit, um eine »Archaisierung der Reichsverfassung«
(Ernst Schubert) scheint eine vorschnelle Charakterisierung jener kurfürstlichen
Zusammenkünfte als rein oppositionelle Maßnahmen zu kurz zu greifen, wie
auch ein Blick auf die Begründung ihrer Einberufung erkennen lässt.^ Der Kai-
ser sollte im Vorfeld jener Versammlungen nämlich durchaus nicht übergangen
oder gänzlich entmachtet werden. Vielmehr bemühten sich die einladenden
Kurfürsten um eine Handlungsgemeinschaft oder zumindest eine Absprache
mit Friedrich III. Entsprechend ist die kurfürstliche Bitte aus dem Jahr 1456,
wonach der Kaiser den Reichstag zusätzlich allen Reichsfürsten und Städten
anzeigen möge, wohl als Versuch anzusehen, die Einladung an gebräuchliche
Ladungsmuster anzupassen und die Versammlung durch die nachträglich
konstruierte Abstimmung mit dem Kaiser legitim zu überwölben.^ Zudem
wurde Friedrich III. mehrfach explizit dazu aufgefordert, ins Reich zu kommen
und persönlich an den geplanten Beratungen teilzunehmen.^
Welche Bedeutung der Einberufung einer reichsweiten Versammlung zu-
kam und welchen Stellenwert kaiserliche Ladungsschreiben hatten, kann insbe-
sondere anhand von Fallbeispielen aus der Gruppe der kurfürstlich initiierten
Zusammenkünfte illustriert werden. Wie auch im Vorfeld der im Jahr 1461 ge-
planten Versammlungen war das Einberufungsrecht verschiedentlich nämlich
nicht nur vom Kaiser, sondern auch von den Kurfürsten beansprucht worden.^
Dieser Anspruch basierte auf dem kurfürstlichen Verständnis, in Situationen,
in denen der Herrscher ihrer Ansicht nach den Herausforderungen im Reich
nicht gerecht wurde, für die Ordnung und Lenkung der Reichsgeschicke ver-
antwortlich zu sein.^' Aus Sicht des Kaisers stellte ein derartiges Zusammen-

78 So wollten sie i?ei)?en und auch raten, ... damit soiicd oügemeit nüei üeüüttet nnd üei/ ewr als des
Geisers nnd nnser als des Reicds i^nr/ürsten Zeiten uoriwmen, aneü ewr Maiestat nns nnd nnser Naeion
die ere nnd würde ... nit entzogen snnder ein ewig ioMicd gedeeütnn^ entstehen werde (Schreiben
vom 10. September 1456, in: RANKE, Deutsche Geschichte VI, S. 18-22, hier S. 16).
79 GoTTHARD, Cardo Imperii, S. 133. Zu den verschiedenen Absetzungsdrohungen gegen Fried-
rich III. vgl. SCHUBERT, Königsabsetzung, S. 450-455.
80 Schreiben vom 10. September 1456, in: RANKE, Deutsche Geschichte VI, S. 18-22.
81 Vgl. für 1456 ebd. sowie für 1461 Nr. 239, in: Frankfurts Reichscorrespondenz 2,1. Ernst Schu-
bert sah die Teilnahmeaufforderung von 1461 in Zusammenhang mit dem konkreten Plan
einer Königsabsetzung, dessen Umsetzung jedoch aufgrund mangelnden Zusammenhalts der
Kurfürsten gescheitert sei. Vgl. dazu SCHUBERT, Königsabsetzung, S. 474f.
82 Zum kurfürstlichen Selbstverständnis als >Säulen des Reichs< und den daraus abgeleiteten
politischen Ansprüchen vgl. die Ausführungen in D.1.2.
83 SCHUBERT, Königsabsetzung, S. 457. Vgl. das bereits zitierte Einladungsschreiben von 1456,
in: RANKE, Deutsche Geschichte VI, S. 18-22, hier S. 16. Darin betonten die Kurfürsten, dass
sie - auch wenn Friedrich an den Beratungen nicht teilnehmen werde - alsdann mit der Hii)J
gottes daseiüs üei/ einander sein [wollten], zn Raisiagen zn Handein nnd zn üesiiessen aiies das nns ...
ais i(nr/nrsten des deiiigen Reicds zn fnnd gepürt nnd nof sein würdet (ebd., S. 17). Vgl. dazu auch
 
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