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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0196

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III. Vereinbarung: Ablauf und Verhandlungen

195

einem päpstlichen Legaten. Wie der Regensburger Fall illustriert, entstanden
Verzögerungen etwa in solchen Fähen, in denen einflussreiche Einzelpersonen
oder Personengruppen, deren Anwesenheit von den bereits Anwesenden als
konstitutiv für die Aufnahme bzw. den Fortgang der Verhandlungen angese-
hen wurde, verspätet eintrafen.'^ Ein unpünktlicher Verhandlungsbeginn war
im 15. Jahrhundert gleichsam Bestandteil des politischen Erfahrungsschatzes
der Reichstagsteilnehmer. Im Vorfeld der Verhandlungen galt es daher, wach-
sende Verärgerung der Anwesenden über die Verzögerung von Beratungen
und die deshalb steigenden Unterhaltskosten zu begütigen.
In Regensburg entschied sich Lorenzo Rovarella im Jahr 1469 deshalb
schließlich, einen seligen an/hncirdieiz hzges [zu] nmciien. Er zog in Gegenwart der
bereits anwesenden Versammlungsteilnehmer in einer feierlichen Prozession
zum Regensburger Dom und hielt dort eine Messe ab. Nach der Messe gelei-
teten die Reichstagsteilnehmer den Legaten zu seiner Herberge. Ebendort traf
die Versammlung am Nachmittag wieder zusammen, um den iiandei anzn/h-
eizen. '^ Rovarella eröffnete den Reichstag mit einer Rede, in der er die politische
Situation des Jahres 1469 und die Herausforderung des europäischen Christen-
tums durch den böhmischen König Podebrad skizzierte. Im Anschluss an
diese recht grundsätzliche Rede forderten der aus Ungarn entsandte Probst
von Pressburg und der kaiserliche Anwalt Haug von Montfort konkret eine
Reichshilfe gegen die »böhmischen Ketzer«. Uber dieses Anliegen berieten
die Gesandten der Kurfürsten und Fürsten im Anschluss an den Vortrag der
päpstlichen und kaiserlichen Forderungen; erste Stellungnahmen wurden in
einer gemeinsamen Sitzung am 6. März abgegeben. Während der für die geist-
lichen Fürsten sprechende Jurist Martin Mair eine Ordnung für einen Heeres-
zug gegen Böhmen und Unterstützung für Ungarn forderte, beschränkte sich
der brandenburgische Rat Peter Knorr auf die Bekundung einer prinzipiellen

155 Die Bedeutung, die das persönliche Eintreffen einflussreicher Akteure und das Warten darauf
für die Zeitgenossen hatte, ist auch aus dem Kontext des Regensburger Reichstags von 1471
eindrücklich belegt. Vgl. den bereits zitierten >Merkzettel< am Regensburger Marktturm, in:
RTA 22,2, Nr. 106, S. 426 sowie dazu Kapitel D.11.2.1.
156 Bericht der brandenburgischen Räte vom 3. März, in: BACHMANN, Urkundliche Nachträge,
Nr. 72, S. 81.
157 1458 war der Utraquist Jiri z Podebrad zum böhmischen König gewählt worden. Nach der
Exkommunikation Podebrads durch Papst Paul II. setzte sich der ungarische König Mätyäs,
der bei der Bekämpfung der osmanischen Einheiten an der ungarischen Südgrenze auf die
finanzielle Unterstützung des Papstes angewiesen war, an die Spitze eines katholischen Wi-
derstandes gegen den >Ketzerkönig< und bekämpfte Podebrad vor allem in Mähren und
Schlesien. 1469 wurde Mätyäs selbst von Vertretern des katholischen böhmischen Adels zum
König von Böhmen gewählt und bemühte sich in den folgenden Jahren um die Anerken-
nung dieser Wahl. Das Verhältnis zu Friedrich III., der sich gegen Mätyäs' Ambitionen in
Böhmen aussprach, wurde auch durch zwischenzeitlich vereinbarte Abkommen, den Vertrag
von Korneuburg mit der Vereinbarung ewigen Friedens und gegenseitiger Nichteinmischung
in innere Angelegenheiten etwa, oder die ungarisch-böhmische Übereinkunft von Olomouc
mit dem Verzicht Mätyäs' auf weitere Ansprüche in Böhmen, nicht dauerhaft befriedet. Vgl.
dazu NEHRiNG, Matthias Corvinus, Friedrich III. und das Reich, S. 91 sowie HoENSCH, Matthias
Corvinus, S. 167.
 
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