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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0225

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224

D. Deutsche Reichsversammlungen

zu beeinflussen oder durch Vorschläge alternativer Anschlagskonzepte zu re-
duzieren.^ Mitunter wurde die Zahlung einer vereinbarten Reichshilfe auch
nicht geleistet, eine Maßnahme, die sich als durchaus wirkmächtiges Argu-
ment in einer Auseinandersetzung erweisen konnte.^
Häufiger als im Nicht-Zahlen der Reichshilfe kamen Kritik, Skepsis oder
Unmut über die Reichshilfe jedoch in ergebnisoffenen Verhandlungen über
Hilfsbewilligungen zum Ausdruck. In den Verhandlungen kamen konkrete
Entscheidungen entweder nicht zustande oder wurden unter Verweis auf die
Versammlungsstruktur verschoben, etwa wegen einer zu geringen Teilneh-
merzahl oder der überwiegenden Teilnahme von Gesandten.^* Obgleich das
Argument, für Entscheidungen von reichsweiter Relevanz sei ein entspre-
chend umfangreiches oder gar repräsentatives Plenum vonnöten, zunächst
die Auffassung der Versammlung als gemeinschaftliches Beratungsforum des
Reichs sowie die Vorstellung von gewissen Grundregeln der Beschlussfassung
zu spiegeln scheint, offenbart sich auch eine ambivalente Perspektive auf die
Reichsversammlung. Das Bemühen um das Vermeiden und Verschieben von
Entscheidungen zeigte nämlich, dass die Versammlungsbesucher ihr Verhand-
lungs- und Stimmverhalten nach individuellen Interessen ausrichteten und
nur unter bestimmten Bedingungen bereit waren, die Beschlussfassung und
die darauf folgende Implementierung der Entscheidungen mitzutragen.

268 Vgl. etwa den fürstlichen Vorschlag einer Kontingenthilfe statt einer Abgabe der Reichsange-
hörigen, vorgetragen auf dem Frankfurter Reichstag 1486: RTA MR 1, Nr. 319, S. 322ff.
269 So hatte Herzog Wilhelm von Jülich-Berg im Rahmen der über seine Belehnung mit Kaiser
Friedrich III. geführten Auseinandersetzung den auf ihn entfallenden Anteil des Nürnberger
Anschlags von 1481 nicht gezahlt. Zur Beilegung des Streits kam es erst im Dezember 1485
durch die Vermittlung Maximilians I. Im Gegenzug für seine Belehnung durch den Kaiser
wurde der Herzog verpflichtet, die auf dem Frankfurter Reichstag 1485 noch zu beschheßende
Reichshilfe on die irrnng nnd Widerrede ebenso wie die 1481 in Nürnberg vereinbarte Summe
zu zahlen. Vgl. die Schlichtungsurkunde Maximilians I., in: RTA MR 1, Nr. 59, S. lllff. sowie
die Belehnungsurkunde für Wilhelm von Jülich-Berg, ebd., Nr. 58, S. 111. Zum Kontext der
Stimmwerbung durch Kaiser und König und die in diesem Zuge geleisteten Gunsterweise
gegenüber Kurfürsten und Fürsten s. WoLF, Doppelregierung, S. 101-111.
270 Bei der Bekanntgabe ihrer Stellungnahme über die Umsetzung der Frankfurter Beschlüsse
von 1454 erklärten die auf dem Reichstag in Wiener Neustadt (1455) anwesenden fürstlichen
Räte, sie könnten, da sie zusammen nur sechs Fürsten im Reich vertraten, keine Entscheidun-
gen treffen, die für alle Fürsten gelten sollten. Stattdessen sei die Meinung der abwesenden
Fürsten einzuholen. Verhandlungsbericht, in: KÖNIG voN KÖNIGSTHAL, Nachlese, S. 110.1467
berichteten die Münchener Gesandten vom Nürnberger Reichstag, dass bislang keine Be-
schlüsse über einen allgemeinen Landfrieden gefasst worden seien, da ioiniw der uierhiii /drsien
grn/en derrn etc. Mud steten im reied die sein (Bericht zitiert nach KLUCKHOHN, Ludwig der Reiche,
S. 379). Vergleichbares notierten die brandenburgischen Räte über den Reichstag des Jahres
1470: Obgleich der kaiserlichen Proposition, eine Soforthilfe und ein Reichsheer gegen die Os-
manen aufzustellen, prinzipiell zugestimmt wurde, habe sich die Versammlung aufgrund des
Bedarfs weiterer Verhandlungen und der schlechten Teilnehmerquote als beschlussunfähig
erwiesen. Bericht in: BACHMANN, Urkundliche Nachträge, Nr. 105, S. 130f. Im Namen der Kur-
fürsten, Fürsten und städtischen Vertreter forderte der Gelehrte Martin Mair in seiner Rephk
auf die kaiserliche Proposition deshalb die Einberufung eines neuen Tags ein, nachdem unser
der dnr/Mrsfen /nrsfen Mud stehe sendedofseda/f ifznnf in einer deinen zai die sind (Antwort Martin
Mairs,*in: RTA 22,1, Nr. 84bl, S. 271).
 
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