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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0227

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226

D. Deutsche Reichsversammlungen

hatte er daran erinnert, dass sich die bisher im Reich vereinbarten Anschläge
als durchweg erfolglos erwiesen hatten, so dass >die Türken< vielmehr erstarkt
seien und neben den Angriffen auf seine Erbländer nun auch ef/zc/ie tenfsc/ie
/and bedrohten/^ Auf diese Argumentation griffen die kaiserlichen Anwälte
zurück, als sie in der ersten Sitzung des Reichstags die Forderungen Fried-
richs III. vorstellten. So hoben sie hervor, dass zur Organisation der >Türkenab-
wehr< bereits Ndc fagcgcdadcn, rafs/agcyhrgcnomcn worden [seien]; nendzeden zn
Regenspnrg, Fran/(/nr/, Wien, Manfna, Nnrendterg nnd dznnf alter adne. Obgleich
sich der Kaiser ihrer Ansicht nach stets bemüht hatte, Hilfsmaßnahmen mit-
zutragen, sahen sie sich genötigt, eine nüchterne Bilanz der >Türkenkriege< zu
ziehen - die >Türkenhilfe< dede sied noed nie yrned/derdeden erengnef.^ Die An-
wesenden sollten deshalb mit einer nachdrücklichen Rede von der Notwendig-
keit einer Soforthilfe für die Verteidigung der kaiserlichen Erbgebiete und der
Beteiligung an einem großen, europäisch ausgerichteten Heereszug gegen die
Osmanen überzeugt werden. Dabei diente die Erinnerung an die Reichstage
der vergangenen Jahre zunächst der Rechtfertigung des Kaisers und der Zu-
weisung von Verantwortung, ließ die Erinnerung an kaiserliche Bemühungen
um die Organisation von Schutz und Verteidigung des Reichs doch nun nach
dem Beitrag der Reichsglieder fragen. Gleichzeitig schuf der Blick auf ver-
gangene Verhandlungen einen starken Kontrast zum Szenario der ebenfalls
skizzierten >wachsenden Türkenbedrohung< und betonte so die unmittelbare
Handlungsnotwendigkeit in einer akuten Nottage.^ Der Hinweis auf die man-
gelnde Beschlussfassung früherer Versammlungen wurde offenbar gezielt in
der politischen Rhetorik der kaiserlichen Stellvertreter eingesetzt.
Dabei handelte es sich keinesfalls um eine neue, sondern um eine im
15. Jahrhundert durchaus verbreitete kritische Perspektive auf Reichsver-
sammlungen. Tatsächlich wurde die Ergebnislosigkeit der Reichstage und de-
ren historische Tradition auch in anderen Kreisen, sowohl von Akteuren im
Reich als auch von auswärtigen Beobachtern, »immer wieder teils spöttisch,
teils anklagend vermerkt«/^ Im deutlichen Kontrast zu dieser >Geschichte der
Nutzlosigkeit< scheint freilich das bereits an anderer Stelle thematisierte Phä-
nomen einer »Permanenz der Verhandlungen« (E. Schubert) zu stehen, einer

276 Einladungstext an verschiedene Städte, in: RTA22,1, Nr. 78, S. 250f. Obgleich der Reichstag so-
mit im Vorhinein ganz im Zeichen eines >Türkenkriegs< stand, wurde er schließlich, wie Inge-
borg Most-Kolbe in der Vorrede zu dem entsprechenden Band der Reichstagsakten betonte,
ȟberschattet von der Auseinandersetzung des Pfalzgrafen Friedrich des Siegreichen mit dem
Kaiser.« RTA 22,1, Vorrede, S. VII.
277 Vortrag der kaiserlichen Proposition am 19. September, in: RTA 22,1, Nr. 84al, S. 268.
278 In der Einladung an Albrecht von Sachsen verdeutlichte der Kaiser, dass auf dem Nürnberger
Reichstag endlich jene Fragen (d.h. die Organisation der >Türkenabwehr<) beschlossen werden
sollten, die auf den Reichstagen 1467 und 1469 nicht entschieden worden waren. Albrecht
sollte den Tag frühzeitig beschicken, um söiden sacken des/nrgenowen tags, in messen wie das an/
dem uerganngen fegen zn unsers derren An^arf und Jodanns tag sedirisf desededen sein sodfe, /medf-
periied naedzngeen und darinn enndfiied dei^n zn desiissen. Schreiben vom 29. Mai, in: BACH-
MANN, Briefe und Acten, Nr. 544, S. 663.
279 SCHUBERT, König und Reich, S. 338. Zu den Vorwürfen einer zögerlichen und ergebnislosen
Politik Friedrichs III. vgl. Kapitel D.1.3.
 
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