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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0243

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242

E. Vergleichende Darstellung: omne simile est etiam dissimile

strukturellen Gegebenheiten des Verfassungsgefüges auch Ordnungsvorstel-
lungen, namentlich die Orientierung am Gemeinwohl, in seinem Vergleich be-
rücksichtigt, so konzentrierte sich Pufendorf (der jedoch keinen detaillierten
Vergleich vorlegte) auf Aspekte der Herrschaft und Macht. Der anonyme Ver-
fasser des polnischen Traktats dagegen stellte geradezu einen Katalog an Ver-
gleichskriterien vor, in dessen Mittelpunkt die in Polen und in den deutschen
Fürstentümern bestehenden Herrschafts- und Adelsrechte standen. Pfeffel
schließlich nahm konkrete institutioneile Ausformungen und Foren politischen
Handelns ebenso wie ihre rechtlichen Grundlagen in den Blick. Entsprechend
vielfältig präsentierten sich auch die daraus gezogenen Erkenntnisse. Während
Carew die Fortschrittlichkeit und Überlegenheit der polnischen Adelsrepublik
betonte, hielt Pufendorf aufgrund der territorialen und machtpolitischen Stär-
ke des Reichs einen Vergleich für nicht angemessen. Dass eine systematische
Gegenüberstellung trotz der Unterschiede in gesellschaftlicher und politischer
Verfasstheit durchgeführt werden konnte, demonstrierten der anonyme Autor
und auch Pfeffel.
Ein umfassendes Bild der Reichsversammlungen ergibt sich jedoch erst,
das lehrt der Blick auf die in der Vergangenheit gewählten Perspektiven, wenn
verschiedene Ebenen politischer Ordnung beachtet werden, wenn neben kon-
kreten Praktiken auch Vorstellungen und Behauptungen Berücksichtigung
finden, wenn also - gemäß dem Diktum omne simile esf efi%m dissimiie - ne-
ben scheinbar offenkundigen Analogien auch Verschiedenheiten mitgedacht
werden. Im Folgenden werden deshalb analog zu den bei den Fallstudien
zugrundegelegten Analysekriterien zunächst die Beschaffenheit und Herr-
schaftstraditionen des politischen Ordnungsgefüges im spätmittelalterlichen
Polen, Ungarn und Deutschland betrachtet. Darauf aufbauend sind die Be-
funde zur Ausgestaltung der jeweiligen Reichsversammlung, also zu dem
Verlauf und den praktizierten Formen der Verhandlung, einander gegenüber-
zustellen. An diese Darstellung der >gelebten Ordnung< schließt sich sodann
ein kurzer Exkurs über die ersten Kodifikationen solcher Ordnungen und
ihre Verbreitung im jeweiligen Reich an. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage
nach den >Bildern< der Reichsversammlungen, die gegen Ende des 15. und zu
Beginn des 16. Jahrhunderts durch gezielte Veröffentlichung einem weiteren
Rezipientenkreis textuell und visuell vermittelt wurden. Schließlich sind zeit-
genössische Wahrnehmungsmuster und Ordnungsvorstellungen in den Blick
zu nehmen. Auf diese Weise kann die »mehrdimensionale Realität der Reichs-
gefüge und -institutionen« jener Reiche im 15. Jahrhundert beschrieben und
charakterisiert werden."

11 Vgl. dazu BÖMELBURG, Tradition einer multinationalen Reichsgeschichte, S. 319f.
 
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