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Münchner kunsttechnische Blätter — 8.1911/​1912

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Nr. 1
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Schölermann, Wilhelm: Die "Weimarfarbe"
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https://doi.org/10.11588/diglit.36590#0006

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2

Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr.:.

und Leuchtkraft des Tones und die mannigfaltigere
Behandlungsfähigkeit voraus hat. Es findet weder
ein Reissen noch ein Schrumpfen der Farbe statt.
Ob man sie auf trockenen oder auf weichen,
zähen Grund setzt, der Ton dunkelt weder nach,
noch wird er trübe oder unklar, kurz man kann
die Arbeit zu jeder beliebigen Zeit unterbrechen
oder fortsetzen. Die Farbe bleibt in einer wunder-
vollen Klarheit, die auch in dem Material von Le-
franc und Blockx nicht erreicht wird. Ich habe
auch mit Weimarfarbe ohne Zusatz gemalt, doch
ist sie mir zu zähe, und ihre Eigenart (die der
Oelfarbe ähnliche Stärke, nur mehr emailleartige
Beschaffenheit) kommt auch bei dem oben ge-
schilderten Verfahren durchaus zur Geltung. Das
Harzmalmittel wende ich, trotzdem ich damit
keinerlei schlechte Erfahrungen gemacht habe,
nur deswegen nicht an, weil ich das pastellartig
Matte der ,Feigenmilchmalerei' bei meinen Bildern
wünsche. Ein .Einschlagen', d. h. ein Unkenntlich-
werden der Valeurs, ist mir, seitdem ich mich
mit der Weimarfarbe eingemalt habe, nicht mehr
vorgekommen. Früher habe ich bei solchen Stellen
den Retuschierfirnis mit Erfolg ohne jeden Nach-
teil angewandt."
Dieses Zeugnis eines in allen Sätteln gerechten
Berufskünstlers gibt vielleicht die wertvollsten
Anhaltspunkte für die technische Behandlungs-
fähigkeit des Weimarfarbenmaterials.
Wenn ich meine eigenen bescheidenen Er-
fahrungen mit der Weimarfarbe, wie ich sie selbst
und bei meiner Frau (beim Porträt) beobachten
konnte, hier erwähnen darf, so können wir das
oben Gesagte nur bestätigen. Ganz besonders,
wenn man selten Gelegenheit findet und oft mit
Unterbrechungen malen muss, erweist sich die
Weimarfarbe als das unbedingt „gehorsamste" Ma-
terial, das es heute gibt. Ich wenigstens kenne
kein ähnliches. Seine Vorzüge erklären sich wohl
am natürlichsten daraus, dass es entdeckt und
hergestellt wurde von einem Maler, der (wie einst
die Alten) zugleich Farbenchemiker war. Nach-
dem Prof. Hasse in Berlin seine Studien in Ma-
lerei und Farbenchemie begonnen hatte, setzte
er sie am Laboratorium der Weimarschen
Kunstschule (jetzt Hochschule für bildende Kunst)
fort. Ihm war es von vornherein klar, dass es sich
jetzt darum handeln muss, eine Farbe herzustellen,
welche ohne Beeinträchtigung der Qualität und
Leuchtkraft der Pigmente ebensogut mit einer
Tempera-Emulsion wie mit einer Harzlösung zum
Gebrauch auf der Palette gemischt werden
konnte. Das ist nun erreicht. Als Bindemittel
zum Reiben der Farben dienen amorphe Balsame,
wie härtere Harze, ätherische und auch fette Oele.
Die Prozentsätze dieser Bindemittel untereinander
richten sich durchaus nach dem jeweiligen Farben-
pigment. Diese Bindungen werden mithin dem
Farbpulver nur allmählich und in bestimmter, den

Erprobungen gemässer Reihenfolge zugesetzt. Da
aber diese Zusätze der Bindemittel nur in ganz
bestimmter Reihenfolge nach und nach erfolgen
dürfen, ist das Reiben der Farben sehr lang-
wierig. Kleinere Mengen bleiben oft zwei bis
drei Tage und noch länger auf den Walzen.
Die Weimarfarben werden hierdurch freilich sehr
fein gerieben, doch ist ihre Herstellung dement-
sprechend zeitraubend und kostspielig.
Was die Malmittel anbelangt, so ist die sog.
„Feigenmilch" eine künstliche Emulsion (nicht
etwa der Saft aus frischen Trieben des Feigen-
baumes), eine Art Verseifung von Alkalien (un-
schädlich für die Farben) mit destilliertem Wasser
und ätherischem Oel. Sie erhielt die Bezeichnung
Feigenmilch, weil dieses milchweisse Malmittel
Aehnlichkeit mit dem Saft des Feigenbaumes
oder auth der Wolfsmilch (Euphorbia) hat. Durch
diesen Zusatz wird die Farbe dünn (mager, matt-
leuchtend) und temperaartig. Die Umwand-
lung der Weimarfarbe, die ja eine Harzölfarbe ist,
in eine Tempera geschieht eben dadurch, dass
die fetten Oele und Harze vor dem Auftrag auf
die Bildfläche durch die Wirkung der „Feigen-
milch" gespalten werden. Die bei der sonstigen
Oelmalerei häufig so störenden Begleiterscheinungen
und unangenehmen Eigenschaften (Nachdunkeln,
Speckhaut usw.) werden dadurch vermieden. Die
durch den Milchzusatz in eine Tempera umgewan-
delte Harzfarbe reisst und „häutet" selbst bei dem
dicksten wiederholtesten Auftrag nicht und verändert
den Ton nie.
Das Trockenmalmittel ist ein Mangansikkativ un-
schädlichster Art und das Harzmalmittel nur eine
Wiederholung der in den Farben schon enthaltenen
Bindemittel. So wird der Fehler vermieden, den
Farben fremde Bestandteile zuzuführen.
Das matte Auftrocknen ohne Hautbildung
wird durch den Wassergehalt der Feigenmilch
ermöglicht, was namentlich bei dekorativen Ar-
beiten erwünscht erscheint.
Diese Art des Auftrocknens bietet den Vorteil,
die Arbeit jederzeit unterbrechen und wieder
fortsetzen zu können, ohne Furcht vor den trocke-
nen oder halbtrockenen Farbenschichten. Die
frisch hingesetzten Farben verbinden sich voll-
kommen mit den unteren zu einer Masse, da
diese Farben immer von innen heraus trocknen.
Man darf so oft übermalen, wie man will, jedes-
mal erscheint die Malerei mit abgeschlossenem
Trockenprozess nur immer klarer und erhält ein
pastellartiges Aussehen von seltener Leuchtkraft.
Man kann auch mit der Weimarfarbe auf alten
Oelbildern weitermalen, da sie als Tempera dar-
auf haftet. Ebenso wird sie beim Kopieren
alter Meister sehr gute Dienste leisten.
Alles in allem: ein Malmaterial, das heute
jeder Künstler kennen sollte.
 
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