Inhalt: A. P. Laurie über griechische und römische Maimethoden. Von E. B. (Schluss.) — Der Zinnober,
seine Herstellung und sein Gebrauch in der Malerei der letzten acht Jahrhunderte. Von G. Baken-
hus. (Fortsetzung.) — Hugo Strucks neues Oelfarbenmaterial. — Literatur.
A. P. Laurie über griechische und römische Malmethoden. (Schluss)
Von E. B.
Hierin begegnet Herr Laurie sich mit Prof.
Donner, der iiquor geradezu durch „flüchtige
Stoffe" (d. h. also Gase, Kohlensäure) wieder^
gegeben hat in einer Uebersetzung, von der er
selbst sagte, dass sie ihm „nicht auf den ersten
Anlauf gelungen sei" (Techn. Mitt. f. Mal. XX,
S. 55, Anm. i).*)
Zu jenen zweifelhaften Punkten der Vitruv-
stelle gehören auch die Worte coloribus cum
politionibus inductis. Ich habe sie so aufge-
fasst, dass die Farben zugleich mit der Politur-
arbeit aufgetragen werden, und dasselbe scheint
Herr Laurie S. 77 zu tun, denn einen anderen
Sinn wird seine Uebersetzung „with polishings"
wohl kaum haben, und, Ich weiss nicht, worauf
das beruht, mir S. 78 die „Uebersetzung" zuzu-
schreiben: „Farben gemischt mit glättenden Sub-
stanzen". Dieser Sinn könnte eher in der Er-
klärung Herrn Degerings liegen, eines deutschen
Gelehrten, der an einer neuen Vitruvübersetzung
arbeitet und von Herrn Laurie befragt worden
ist; danach würden die politiones „das beim Mörtel
gebrauchte Material" bedeuten. O. Donner end-
lich hat a. a. O. die politiones als die „obersten
feinsten Verputzschichten" erklärt, und diese Deu-
tung, die in dem sonstigen Sprachgebrauch Vitruvs
*) Für lateinkundige Leser lasse ich hier die Stelle
Vitruvs (VII, 3, 7) folgen: . . . quod calx, in fopiaci'bus
excocto liquore facta raritatibus evanida, ieiunitate
coacta corripit in se quae res forte contigerunt, mix-
tionibusque ex aliis potestatibus conlatis seminibus seu
principiis una solidescendo, in quibuscumque membris
est formata cum Ht arida redigitur, uti sui generis
proprias videatur habere qualitates. Dazu die Ueber-
setzung von R e b e r (links) und die von Donner (rechts),
in der die eckigen Klammern die scheinbar harmlos
eingeschobenen Wörter einschliessen, denen jeder-
eine hinreichende Stütze findet, würde vortreff-
lich stimmen mit meiner Ansicht von der „in
der Masse gefärbten letzten Stuckschicht", die
ich auch durch die Einwendungen Herrn Lauries
nicht für erschüttert halten kann*). Ich finde so-
mann leicht ansehen wird, in welcher Richtung sie den
Sinn des Ganzen zu verändern geeignet sind:
... weil der Kalk, nach-
dem dessen Feuchtig-
keit in den Kalköfen her-
ausgehitzt und derselbe
kraftlos gemacht ist, durch
seine Trockenheit ge-
zwungen alles, womit er
in Berührung kommt, an
sich zieht und durch Ver-
mischung mit den von an-
deren Stoffen beigebrach-
ten Bestandteilen und
Elementen zu einem ein-
zigen festen Körper
erhärtend, in einen Zu-
stand versetzt wird, dass
er, aus welchen Bestand-
teilen immer er dann be-
stehen mag, nachdem
er trocken geworden, die
seiner Natur von Haus aus
eigene Beschaffenheit zu
haben scheint (. . . das
Ganze dennoch bloss aus
dessen eigener Substanz zu
bestehen scheint. Rode.)
... weil der Kalkstein,
der im Kalkofen seiner
flüchtigen Stoffe
(Iiquor!) beraubt und in-
folge seiner dadurch ent-
standenen Trockenheit
kraftlos wird, in [dieser]
erzwungenen Leere
[diese] Stoffe [wieder]
an sich reisst, sobald sie
[zufällig] mit ihm in Be-
rührung kommen. Ver-
einigt mit [diesen] aus an-
deren Naturreichen ent-
nommenen Mischungen
von Grund- oder Urstoffen,
verdichtet er sich
[wieder], und wenn er
[ganz] getrocknet ist, so
wird er, zu welchen Bau-
zwecken er auch ver-
wendet worden sein
möge, derartig [zurück-]
gebildet, dass man an
ihm [wieder] die seinem
Wesen angeh origen Eigen-
schaften wahrnimmt.
*) Den Versuch, die Worte coloresautem udo tec-
tori cum diligenter sunt inducti in diesem Sinne zu
deuten, gebe ich bereitwillig preis. Es bedarf dessen
auch nicht. Und da Herr Laurie S. 78 darüber spottet,
dass die „Freskogegner" das handschriftlich über-
lieferte nudo nicht für ihre Zwecke ausgebeutet hätten,
so will ich ihm sogar nicht verschweigen, dass von
philologischer Seite mir mitgeteilt worden ist, die