München, 13. No?. 1911.
BeHage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint i4täg!g unter Leitung von Maier Ernst Berger.
YHI.Jahrg. Nr. 4.
Inhait: Neue Gutachten über die römisch-pompejanische Wandmaitechnik. Von E. Berger. — Rotations-
tiefdruck. Von Waiter Ziegier. — Zum Kapitei Maigrund.
Neue Gutachten über die römisch-pompejanische Wandmaitechnik.
Mitgeteiit von E. Berger.
Im Anschluss an meine „Bemerkungen zu Keims
Rekonstruktionsversuchen" und um zu zeigen,
dass die Ansichten und Urteile über die Technik
der antiken Wandmalereien von seiten derer, die
die Originalmaiereien in Rom und Pompeji durch
eigene Anschauung kennen geiernt haben, in
ganz erhebiicher Weise von den Urteilen
derjenigen abweichen, die die Gelegenheit dazu 4-
nicht hatten, möchte ich hier die Ergebnisse einer
Rundfrage bekanntgeben, um deren Beantwortung
ich einige Herren gebeten hatte. Geiegentiich
des Internationalen Kunstkongresses in
Rom (April a. c.) trafen sich teils auf Verabredung,
teils zufällig einige Kongressteilnehmer in dem
Museum der Diokletiansthermen, wo die gelegent-
lich der Tiberregulierung im Garten der Villa
Farnesina ausgegrabenen Reste einer altrömischen
Villa aufgestellt sind. Durch Reichtum der deko-
rativen Ausstattung ausgezeichnet und in vorzüg-
licher Erhaltung sind besonders das rote Zimmer,
das schwarze Zimmer mit den reizvollen Gerichts-
szenen in Friesform und das weisse Zimmer her-
vorzuheben. Da mir diese Malereien von früheren
römischen Aufenthalten bekannt waren, konnte ich
die Führung übernehmen und auf technische Einzel-
heiten von Bedeutung hinweisen.
Inzwischen sind Monate vergangen, und die
Idee, die damals anwesenden Herren um ihr Gut-
achten zu fragen, ist erst im Laufe der jüngsten
Zeit aufgetaucht.
Folgende Fragen habe ich den Herren zur
Beantwortung übersandt:
!. Halten Sie die im Diokletians-Thermenmuseum
befindlichen altrömischen Wandmalereien
(Wanddekorationen) für reine Freskomalerei,
d. h. Kalkmalerei auf frischem Grund?
2. Im Verneinungsfalle: In welcher der bekannten
Techniken glauben Sie, dass dieselben aus-
geführt sind? Kennen Sie die Stukkolustro-
technik?
3. Wodurch ist nach Ihrer Meinung Glanz und
Glätte dieser Malereien hervorgebracht? (Hier-
bei ist aber nicht der neuerer Zeit aufgetragene
Wachsüberzug gemeint.)
Haben Sie beobachtet, dass Grund und
Malerei bei diesen Dekorationen in einer
Ebene liegen, also Grund und Malerei in
einem geglättet sein mussten?
Mit Ausnahme eines Herrn, der sich in tech-
nischen Dingen nicht für kompetent erklärte, haben
alle übrigen in freundlichster Weise meiner Auf-
forderung Folge geleistet, wofür ihnen auch an
dieser Stelle herzlichster Dank ausgesprochen sei.
Gleichzeitig ergeht aber auch an andere Herren
Kollegen, Maler wie Architekten, die durch per-
sönliche Inaugenscheinnahme der antiken Malereien
in Rom, Pompeji oder Neapel sich ein Urteil zu
bilden in der Lage waren, die dringende Bitte
und Aufforderung, ihre dort gewonnenen Er-
fahrungen und Ansichten mir gefälligst mitteilen
zu wollen*). Denn nur das Urteil jener ist
in dieser Frage von Wichtigkeit und von
Wert, die an Ort und Stelle gewesen sind!
Ich lasse hier die eingegangenen Antworten
folgen:
I. Herr Prof. Dr. A. E i b n e r (München) schreibt:
Hier meine Antworten, die naturgemäss nicht
durchaus bindend sind, da sie sich nicht auf an
den Objekten vorgenommene Versuche, sondern
nur auf den Augenschein beziehen.
*) Entweder direkt an meine Adresse Adaibertstr. 78
(München) oder durch die Redaktion der „Werkstatt
der Kunst", Zehiendorf bei Berlin, Gertraudstr. io.