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Münchner kunsttechnische Blätter — 8.1911/​1912

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Schölermann, Wilhelm: Die "Weimarfarbe"
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https://doi.org/10.11588/diglit.36590#0005

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Manchen, 2. Okt. 1911.

Beitage zur „Werkstatt der Kunst " (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint i4tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.

YIM.Jahrg. Nr.i.

Inha.it: Die „Weimarfarbe". Von Prof. Wiiheim Schölermann. — Zur Frage der römisch-pompejanischenWand-
maierei. Von E. B. -— Fischteim. — Anfragen und Beantwortungen.

Die „Weimarfarbe".
Von Prof. Wiiheim Schotermann.

In den Münchner kunsttechnischen Biättern
hatte ich schon einmal (III. Jahrgang Nr. ig) in
der Nr. vom 18. März IQ07 über „Ein neues
Farbenmateriai" einige Mitteilungen gemacht.
Inzwischen ist die Weimarfarbe, die unter stän-
diger Aufsicht der Grossh. S. Hochschule für
bildende Kunst hergesteiit wird, in weitere Kreise
gedrungen. Man hat ihre Eigenschaften näher
und iänger prüfen können, konnte die gemachten
Erfahrungen vergleichen. Heute darf man ohne
Vorurteii für oder wider die Weimarfarbe, von
dieser vielleicht behandiungsfähigsten aller neueren
Farben, das Urteii dahin Zusammenschlüssen: sie
bewährt sich, sie häit, was sie verspricht.
Darin stimmen aiie Maier, die sie benutzen, überein.
Von den Gutachten der Professoren Ludwig
von Hofmann, Hans Oide, Fritz August von Kaui-
bach sprachen wir bereits. Es sind nun inzwischen
andere hinzugekommen, die nicht minder günstig
ausfielen, besonders hinsichtlich der Traktabiiität
der Weimarfarbe. So schreibt Se. Hoheit Prinz
Ernst von Sachsen-Meiningen aus München:
„Ich habe in den ietzten Jahren mit verschiedenen
Maimaterialien Versuche gemacht; meiner An-
sicht nach vereinigt keine Farbe soiche Vorzüge,
wie die Weimarfarbe mit dem Zusatz von „Feigen-
miich"; denn keine mir bekannte andere Farbe
gibt in dem Masse dem Maler die Freiheit, die
Fortführung seiner Arbeit der Entwicklung seiner
Vorsteiiung anzupassen. Die Weimarfarbe mit
Feigenmiichzusatz ertaubt aus einem Gesamtton
heraus zeichnerisch modellierend und farbig de-
taillierend — also aus dem Allgemeinen ins Ein-
zelne — bei der Arbeit vorzugehen, ohne Rück-
sicht darauf, ob die Farben klebrig oder trocken
sind. Man kann mit dieser Farbe beinahe un-
ausgesetzt arbeiten, ohne zu besorgen, dass sie

trüb oder speckig werde. Technische Schwierig-
keiten bereitet sie in keiner Weise, sie fordert
eigentlich überhaupt keine „Technik". —
In dem letzten Satz: „sie fordert eigentlich
überhaupt keine Technik", liegt ein besonderer
Vorzug. Allerdings auch eine eigentümliche Ge-
fahr — für Anfänger. Der Dilettant wird ailzu-
leicht mit solchem bequemen Farbenmaterial
spielerisch umgehen und solche Bequemlichkeit
zu missbrauchen geneigt sein. Für den reifen
Künstler, der weiss, was er will, besteht solche
Gefahr nicht. Ihm wird es lieb sein, alle Hem-
mungen, die seinem Wollen und Können im
Wege stehen, mit solchem anpassungsfähigen
Malmaterial glatt überwinden zu können. So
äussert sich der Maler Martin Brandenburg,
Berlin, mit folgenden Worten:
„Von allem Farben-Material habe ich die Wei-
marfarbe als die für meine Zwecke geeignetste
erprobt, weil sie die wenigste Rücksicht ver-
langt . . . Man besitzt in der Weimarfarbe ein
Material, das die Vorzüge der Pastell-, Tem-
pera-, Harz- und Oelfärben aufweist ohne
deren Nachteile bezw. Unbequemlichkeiten. Ich
male auf grobkörnige Halbkreideleinwand und
habe das Prinzip, im Verlaufe der Arbeit die
Farbenmaterie immer weniger mager zu nehmen.
Da ich auch den letzten Strichen immer noch
einen Tropfen Feigenmilch zusetze (die Farbe
wird dadurch geschmeidiger und lässt sich besser
streichen), so wende ich eben bei der Unter-
malung reichlich Feigenmilch an. Das Verfahren
ermöglicht eine Feinheit in der Entwicklung, im
Aufbau des Bildes, die Möglichkeit eines gleich-
zeitigen Ausgestaltens der gewünschten Bildfläche,
wie es bisher nur bei Pastell möglich war, vor
dem die Weimarfarbe natürlich die grössere Tiefe
 
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