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Münchner kunsttechnische Blätter — 8.1911/​1912

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Nr. 22
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Täuber, Ernst: Einiges über Leinöl, Mohnöl und Walnussöl als Bindemittel für Künstlerfarben
DOI Artikel:
Berger, Ernst: Zur Einführung der Teerfarben, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36590#0090

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86

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 22.

Ein weiteres Hindernis gegen die allgemeine
Anwendung des Leinöi ist die Konsistenz einiger
der damit angeriebenen Farben. Insbesondere
trifft dies bei Bieiweiss und Zinkweiss zu. Sie
sind nicht buttrig und formbar wie die Mohnöl-
farben, sondern zähe und dabei doch fliessend,
so dass die Pinselstriche, weiche bei Mohnöl-
farben stehen bieiben, bald veriaufen und eine
Formgebung mit dem Pinsel kaum stattfinden kann.
Dies trifft auch dann zu, wenn Bieiweiss oder
Zinkweiss mit Leinöi so dick wie möglich ange-
rieben sind.
Es ist dies eine Eigenschaft, weiche bei einer
Anstrichfarbe äusserst erwünscht ist, und weiche
neben dem guten Trocknungsvermögen dem Lein-
öi seine ausgedehnte Anwendung ais Bindemittel
für Anstrichfarben verschafft hat, die aber die
Arbeit des Künstlers sehr erschwert. Aiierdings
kann man durch Zusatz von Wachs die Konsistenz
des mit Leinöi angeriebenen Bieiweiss derjenigen
der Mohnöifarbe ähnlich machen, aber es ist nicht
sicher, ob nicht das Wachs gleichzeitig nach-
teilige Wirkungen hervorruft; es empfiehlt sich
daher, seine Anwendung auf die wenigen Fälle
zu beschränken, in welchen sonst das Pigment
sich beim längeren Lagern der Tuben von dem
Oel in erheblichem Masse trennt.
Es folgt aus vorstehenden Beobachtungen und
Ueberlegungen das praktische Resultat, dass man
für Weiss, welches im allgemeinen die Konsi-
stenz der bei der künstlerischen Malerei ange-
wendeten Farbenmischungen bestimmt, weil es
darin gewöhnlich vorwaltet, zunächst das Mohnöl
als Bindemittel beizubehalten hat, ebenso wird
man es bei den obengenannten Pigmenten be-
nützen müssen, welche mit Leinöl, selbst in ge-
schlossener Tube, rasch erhärten. In allen anderen
Fällen aber verdient das Leinöl den Vorzug.
Allerdings muss man bei sehr zarten, hellen Farben,
wie Kobaltblau, Krapplack u. dgl., ein Leinöl ver-
wenden, welches durch sehr intensive Sonnen-
belichtung möglichst gebleicht ist. Wie ich mich
überzeugt habe, gelingt es durch lange Belichtung,
den Farbstoff des Leinöls so weit zu zerstören,
dass ein mit dem Oele angeriebenes Weiss im
Dunkeln kaum stärker gilbt als dasselbe Weiss
in Mohnöl. Da mit der Bleichung, wenn die Be-
lichtung unter Luftzutritt erfolgt, eine zu weit-
gehende Verdickung eintritf, ohne dass die Blei-
chung wesentlich gefördert wird, so empfiehlt es
sich, während der Belichtung den freien Luftzutritt
zu beschränken.
In den Kreis meiner vergleichenden Unter-
suchungenhabe ich auch dasWalnussöl einbezogen.
Dieses Oel ist z. Zt. nur schwer im Handel zu
bekommen. Ich habe für meine massgebenden
Versuche ein Quantum Oel aus frischen Wal-
nüssen, d. h. etwa 3 Monate nach deren Ernte,
im Laboratorium durch kalte Pressung hersteilen

lassen und habe dabei ein nur schwach gefärbtes
Produkt bekommen, das im Lichte nach einiger
Zeit vollständig wasserhell wurde.
Das Walnussöl steht in dieser und in mancher
anderen Hinsicht dem Mohnöl viel näher als dem
Leinöl. Die Walnussölfarben brauchen ungefähr
ebensoviel Zeit zum Trocknen wie die Mohnöl-
farben, sie zeigen die Neigung zur Rissbildung bei
der Uebereinanderschichtung verschiedenartiger
Farben ungefähr in gleichem Masse, und sie haben
andererseits auch mindestens dieselbe angenehme
Konsistenz wie die Mohnölfarben.
Das Walnussöl aber ist dem Mohnöl darin
überlegen, dass das Trocknen der damit ange-
riebenen Farben fast ohne Bildung von Runzeln
stattfindet, und dass die Farben, wenn auch lang-
sam, so doch vollständig durchtrocknen, was bei
Mohnölfarben bisweilen nicht der Fall ist.
Besonders ist mir der Unterschied bei gelbem
Ocker aufgefallen, von welchem eine vor 7 Jahren
aufgetragene dicke Schicht der Mohnölfarbe noch
immer eine stark klebrige Oberfläche besitzt,
während die Nussölfarbe ganz normal getrocknet ist.
Auch die Oele selbst, in dünner Schicht an
der Luft ausgebreitet, zeigen diesen Unterschied,
der gewiss nicht ohne praktische Bedeutung ist.
Es sind mir auch Paletten zu Gesicht ge-
kommen, die vor ungefähr 20 Jahren,mit den da-
mals handelsüblichen, also zweifellos mit Mohn-
öl angeriebenen Farben besetzt und seitdem nicht
benützt worden sind. Die Farben haben dort
grösstenteils noch heute eine weiche, wachsähn-
liche Beschaffenheit.
Es würde also aller Wahrscheinlichkeit nach
eine weitere Verbesserung der Künstlerfarben be-
deuten, wenn in manchen von den Fällen, bei
welchen Leinöl aus den angeführten Gründen
nicht gut zu brauchen ist, an Stelle von Mohnöl
Walnussöl verwendet würde.
Meiner Meinung nach ist die fast allgemeine
Anwendung des Mohnöls in der zweiten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts für viele Schäden ver-
antwortlich zu machen, die an Oelmalereien aus
dieser Zeit festgestellt worden sind.
Es wird Sache der Tubenfarbenfabrikanten
sein, meine Beobachtungen nachzuprüfen und dann
ev. für die Beschaffung frischen Walnussöls, für
welches das Rohmaterial in genügender Menge
vorhanden ist, zu sorgen.
Auch das Hanföl, welches dem Mohnöl und
Walnussöl sehr ähnlich ist, verdient dabei Be-
rücksichtigung.
Charlottenburg, im April 1912.
Hochschule für die bildenden Künste.
Zur Einführung der Teeriarben.
Von E. B. (2. Fortsetzung.)
Es war sehr natürlich, dass vor allem die Künstler-
farbenfabriken die Idee aufgreifen würden, neue Färb-
 
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