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Münchner kunsttechnische Blätter — 8.1911/​1912

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Nr. 17
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Berger, Ernst: Neue Gutachten über die römisch-pompejanische Wandmaltechnik, [5]
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Die moderne Teerfarben-Industrie, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36590#0071

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Nr. 17-

Münchner kunsttechnische Blätter.

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dem gut gehalten, nur natürlich nicht gegen aus
Fundamentaiursachen entstandenen Rissen im Kalk-
putz oder gegen den Einfluss salpetriger Mauer-
steine, gegen die aber auch wahrscheinlich der
$—6fache antike Mauerputz nicht widerstands-
fähig genug gewesen wäre.
Aber ich habe noch folgende Bemerkung bei
dekorativen Malereien in meinem Hause gemacht:
Während Malereien mit Oelfarbe auf Lein-
wand, die nur lose auf die Wand mit Nägeln
befestigt war, ebenso wie solche, die mit Wachs-
farbe auf fest auf der Wand aufgeklebtem Papier
gemalt waren, an einer Stelle, wo Wasser durch
den Mauerputz gedrungen war, nebst Leinwand
und Papier vollständig zerstört und zerfressen
wurden, blieben Malereien in Wachsfarbe (zin-
noberrote Wandfläche mit Ornamenten) in einem
anderen Zimmer in dem gleichen Falle vollkommen
intakt. Das Wasser war nur zwischen dem mit
Gips überriebenen und mit heissem Leinöl ge-
tränkten, zweimal grundierten Wandputz und der
durch die Wachsfarbe gebildeten Oberhaut hin-
untergelaufen und hatte an einigen Stellen dieser
Oberschicht Wasserblasen gebildet, ähnlich denen,
die man sich durch Quetschungen unter der Haut
zuzieht. Als ich sie aufschnitt, floss helles, klares
Wasser heraus, ich drückte die Stellen wieder zu,
und sie sind nicht mehr aufzufinden. Die Male-
reien in diesem Zimmer entstanden 1875 und
wurden mit Wächsürnis (der Ganosis der Alten)
überzogen, unter dem sich sogar die mit gewöhn-
licher in Kopal angerührter Bronze hergestellten
Lorbeergewinde u. dgl. m. durchaus frisch glän-
zend erhalten haben und nicht, wie sonst, schwarz
geworden sind. Nach 20 Jahren habe ich die
Malereien mit reinem Wasser von Staub und Russ
reinigen und wieder mit Wachsfirnis überziehen
lassen, auch dasselbe Verfahren später noch ein-
mal wiederholt, und die Malereien sehen noch
heute, nach 37 Jahren, genau so frisch aus wie
bei ihrer Entstehung und zeigen auch keinerlei
Spuren von Rissen. Mit den Malereien, die ich
1877 und dann 1885 für das Cafe Bauer hier
(12 grosse Bilder auf Leinwand in Wachsfarben)
ausführte, habe ich dieselben Erfahrungen ge-
macht: leichte Handhabung des Materials und
grosse Dauerhaftigkeit der Malerei gegenüber dem
Dampf und Qualm des Lokals und dem von der
Strasse eindringenden Staub. Dasselbe lässt sich
von den in derselben Technik 1879(80 auf Lein-
wand ausgeführten 7 Bildern im Rathaussaal in
Saarbrücken sagen, was die facilite d'execution
betrifft, auch von den beiden Bildern, die ich
1882 und 1885 im Zeughause hier auf die Wand
malte, nur dass ich dem 1882 noch frischen
Mauerputz nicht recht traute, — wie seitdem in
unserem Klima nie. Es handelt sich bei diesen
Darstellungen mit ihren zahllosen Details immer
um die Bewältigung grosser Wandflächen, und die

Wachsfarbe verlangt schnelle und sichere Mani-
pulation; ich scheute auch die Umständlichkeit
steter Erwärmung von Farben und Malmitteln
nicht. Nur die Anwendung von strahlender Wärme
bei den fertigen Bildern habe ich vermieden
wegen des in den Farben enthaltenen Oeles, be-
merkte aber, dass die matt gewordenen Stellen
oder auch das ganze Bild ohne jeden besonderen
Wachsfirnisüberzug sich jederzeit mit Bürste
oder Wollappen glänzend reiben liess, während
der Wachsüberzug auf den dunklen Stellen einen
weissen Schimmer hinterliess.
(Schluss folgt.)
Die moderne Teerfarben-Industrie.
(Fortsetzung statt Schluss.)
Als England beim Burenkrieg grosse Mengen Karbol-
säure zur Herstellung von Pikrinsäure für Sprenggranaten
benötigte und die Ausfuhr dieses wichtigen Roh-
materials der Farbenindustrie verbot, ging man in
Deutschland sofort zur Fabrikation der Karbolsäure
aus dem Benzol über. Seit dieser Zeit stellen einzelne
Fabriken, so die Elberfelder Farbenfabriken, weiche
grosse Mengen Karbolsäure benötigen, dieses Produkt,
trotzdem die Ausfuhr aus England längst wieder frei-
gegeben ist und die Teerkarbolsäure auf den nied-
rigsten Preis, auf 60 Pfg. pro Kilo, gesunken war,
immer noch synthetisch her.
Die Karbolsäure wird zur Herstellung von Sali-
zylsäure verwandt, die Hermann Kolbe 1870 durch
Behandeln von Phenolnatrium mit Kohlensäure dar-
stellte. Sie war das erste synthetischeHeilmittel,
das als freie Salizylsäure zur Desinfektion und haupt-
sächlich in Form von salizylsaurem Natron als Anti-
neuralgikum gebraucht wurde. Dann zeigten die
Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co., dass die
Salizylsäure auch für Azofarbenzwecke geeignet ist,
und brachten daraus 1884 den ersten gelben Benzidin-
farbstoff, das Chrysamin, und 1889 einen beizen-
färbenden schwarzen Farbstoff, das Diamantschwarz,
in den Handel. Dadurch gewann sie eine immer
wachsende Bedeutung in der Farbenindustrie. Neuer-
dings haben die Elberfelder Farbenfabriken unter dem
Namen Aspirin die Azetylsalizylsäure in die Phar-
mazie eingeführt und dadurch der Salizylsäure auch
einen gesteigerten Absatz auf pharmazeutischem Ge-
biete verschafft. Den gegenwärtigen Verbrauch der
Welt an Salizylsäure schätze ich auf ca. 2 Millionen
Kilo, von denen etwa zwei Drittel in der Farbenindu-
strie gebraucht werden.
Schon 1867 wurde Naphthalin, das bekannte
Mottenpulver, zur Fabrikation von künstlichen Farb-
stoffen, nämlich zur Herstellung von Martiusgelb,
dem Dinitroalphanaphthol, benutzt. Dieser biiiigste
aller Teerkohlenwasserstoffe erlangte aber seine grosse
Bedeutung und Verwendung erst durch die von Peter
Griess 1869 erfundenen Azofarbstoffe. Das dem
Anilin entsprechende Amidoprodukt, das Naphthyl-
amin, und das der Karbolsäure entsprechende Oxy-
produkt, das Naphthol, kommen hier bereits in zwei
verschiedenen isomeren Modifikationen als n- und /3-
Naphthylamin und als <x- und /9-Naphthol vor. Aus
dem Benzol und dem Naphthalin werden nun auf kür-
zeren oder längeren Wegen so viele Hunderte ver-
schiedenartigef Zwischenprodukte für die Farbenfabri-
kation gemacht, dass es unmöglich ist, hier näher
darauf einzugehen.
Fürchten Sie aber auch nicht, dass ich das Riesen-
füllhorn der Farbenindustrie mit fast 2000 verschiedenen
 
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