Nr. r8.
Münchner kunsttechnische Blätter.
7t
ist kaum anzunehmen, dass die Schwefeiverbindungen
infoige einer Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf
das Metall entstanden; doch liegt die Mögiichkeit
nahe, dass zuerst im Boden enthaltene Satze und
Säuren in Reaktion traten, dass somit Metaiisaize ent-
standen, die natüriich durch Schwefeiwasserstoffgas in
Sutfide langsam verwandeit wurden. Man kann aber
mit gleicher Berechtigung annehmen, dass sich zuerst
Schwefel- und schwefligsaure Salze bildeten an der
Oberfläche der Metalle, welche eine Reduktion er-
fuhren. Oxydations- und Reduktionserscheinungen
sind etwas durchaus Selbstverständliches, jede Lebens-
äusserung der Mikroorganismen im Boden bedingt sie.
Das Meer hat uns herrlich patinierte bronzene
Schiffsverzierungen aus der Wikingerzeit wiederge-
geben. Bei der Durchforschung des Wattmeeres fand
man sie im Schlick. Es ist ganz natürlich, dass die
Chlor-, Brom- und Jodsalze des Meerwassers sich
nicht nur an der Patinabildung beteiligten, sondern
dieselbe mehr oder weniger bedingten. Von mir aus-
geführte Analysen solcher dem Meeresgebiete ent-
stammenden Bronzen ergaben einen recht hohen Chlor-
kupfergehalt. Auch alte peruanische Skulpturen waren
mit einer grünen Chlorkupfer enthaltenden Patina be-
deckt.
Wir sehen schon jetzt, dass die alte Erklärung
des Begriffes Patina ins Wanken kommt; ihre völlige
Unhaltbarkeit erkennen wir, wenn wir die Zusammen-
setzung der Bronze berücksichtigen. Es kann sich
nur um einen kleinen Streifzug handeln, wir würden
uns zu sehr verlieren, wollten wir die Beziehungen
zergliedern, die zwischen Bronze und Edelrost natur-
gemäss bestehen.
Eine wundervolle mattschwarze Patina fand man
auf japanischen und chinesischen Bronzen folgender
Zusammensetzung:
a
b
c
d
e
Kupfer . .
82.72
82.90
81.30
83.09
72.09
Zinn . . .
4.36
2.64
3.27
3-23
5.53
Blei . . .
9.20
jo.47
11.05
n.50
20.31
Gold . . .
—
Spuren
—
—
Eisen. . .
9.55
0.64
0.67
0.22
!-73
Nickel . .
Spuren
—
—
Zink . . .
1.S6
z-74
3.27
0.50
0.67
Arsen . .
Spuren
0.25
Spuren
O.25
Spuren
Schwefel
Spuren Spuren
—
—
Spuren
Die mattschwarze Farbe des Edelrostes, die an
Intensität mit zunehmendem Bleigehalt wächst, ist auf
den grossen Bleigehalt zurückzuführen. Es kann sich
um die Bildung von Schwefelblei handeln oder von
Bleisuboxyd. Das erste würde entstanden sein durch
Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf oberflächlich
gebildete Bleisalze, das letzte durch Reduktion sauer-
stoffreicherer Bleisalze. Es liegt nun die Vermutung
nahe, dass alle bleireichen Bronzekompositionen die
dunkle Patina zeigen. Das ist aber durchaus nicht
der Fall; die alten Römer der späteren Kaiserzeit
brachten grosse Mengen Blei in ihre Bronzen, trotzdem
besitzen diese, soweit sie uns erhalten sind, eine grüne
Patina. Die Ursache der Schwärzung ist die Folge
eines ungleichmässigen Gusses. Das Wesen der Legie-
rung ist erst durch die physikalische Chemie erforscht,
diese aber ist eine moderne Wissenschaft. In den
durch mattschwarze Patina ausgezeichneten Bronzen
überwiegt das Blei in der Oberfläche. Es überrascht
den Bronzekenner, dass das Eisen, welches die Farbe
der Legierung ausserordentlich beeinflusst, die Meister
der Antike setzten dem Bronzemetall Eisen zu, um die
Totenblässe zu erzielen, auf den Ton der Patina fast
gar keinen Einfluss ausübt. Man sollte annehmen, dass
der Edelrost infolge der Bildung von Eisensauerstoff-
verbindungen eine in das Rötliche überspielende Farbe
erhielte. Das Eisen bewjrkt, falls es in einer grösseren
Masse vorhanden ist, eine Härtung der Bronze und
erzeugt eine blasse Patina. Philipps untersuchte eine
aus 92 Teilen Kupfer und 8 Teilen Eisen bestehende
Legierung, welche so hart war, dass sie sich kaum
bearbeiten liess. (Schluss folgt.)
Die moderne Teerfarben-Industrie.
(Schluss.)
Schon nach verhältnismässig kurzer Zeit verändern
sich die Färbungen auf Baumwolle, erst nach längerer Zeit,
nach vielen Wochen und Monaten, auch diejenigen auf
Wolle; sie werden grüner und stumpfer, aber im Gegen-
satz zu den Anilinfarben, welche oft nach einigen
Tagen schon ganz verblasst oder hässlich grau gewor-
den sind, hält sich diese Nuance sehr lange. Auf
dieser Eigentümlichkeit beruht meines Erachtens die
so viel gepriesene Schönheit und künstlerische Wir-
kung der alten persischen Teppiche.
Diese Eigenschaft zeigt selbstredend auch der
damit identische künstliche Indigo, nur ist er che-
misch rein. Bekanntlich wurde derselbe 1S80 von
Adolf v. Baeyer synthetisch dargestellt. Nach vieler
Mühe und Arbeit und unter Aufwendung einer be-
wundernswerten Geduld ist dann 17 Jahre später ([897)
der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik es ge-
lungen, vom Naphthafin ausgehend, den künstlichen
Indigo so billig herzustellen, dass er mit dem Natur-
produkt in Konkurrenz treten konnte. 1901 kamen
auch die Farbwerke vorm. Meister Lucius &
Brüning, vom Anilin ausgehend, mit dem syntheti-
schen Indigo auf den Markt. Heute wird fast überall
in der Welt, selbst in Persien, China und Japan, syn-
thetischer Indigo verwandt. Die Ausfuhr Deutsch-
lands an künstlichem Indigo betrug 1910 ca. 4z Mil-
lionen Mark.
Durch Variation der Ausgangsmaterialien und Her-
stellung homologer und analoger Produkte war es
diesmal nicht möglich, wie es sonst so oft der Fall
ist, die Natur zu überflügeln und indigoartige Produkte
von anderer Farbe oder mit anderen Eigenschaften
zu erhalten. Zwar gaben die Chlor- und Bromsubsti-
tutionsprodukte klarere und rötere oder grünere Fär-
bungen wie der Indigo rein und wurden deshalb auch
unter dem Namen Cibablau, Brillantindigo und
Bromindigo fabrikmässig hergestellt, aber sie waren
ebenfalls blau und zeigten sonst dasselbe Verhalten.
Wie weit wir durch die Synthese in der Teerfarben-
industrie gekommen sind, möchte ich Ihnen an dem
künstlich hergestellten Dibromindigo zeigen, der
identisch ist mit dem Purpur der Alten.
Der Purpur galt bekanntlich im Altertum als der
Inbegriff alles Schönen und Kostbaren und war viel-
fach den Königen Vorbehalten. Er wurde besonders
von den Phöniziern aus dem Saft der Purpurschnecke
hergestellt. Im Laufe der grossen weltgeschichtlichen
Umwälzungen ist der Farbstoff gleichsam verloren ge-
gangen, und man war nicht einmal mehr in der Lage,
seine Nuance genau anzugeben. Paul Friedlaender
in Darmstadt hat in neuester Zeit den antiken Pur-
pur zum Gegenstand einer interessanten Untersuchung
gemacht. Es ist ihm gelungen, den Farbstoff nach
einem besonderen Verfahren aus der Drüse der Pur-
purschnecke, und zwar einen rotvioletten aus Mu-
rex brandaris und einen dunkelblauen aus Murex
trunculus zu isolieren. Aus 12000 Stück dieser
Schnecken erhielt Friedlaender 1,5 g Farbstoff.
Diese winzige Menge, im Verein mit dem nicht allzu
häufigen Vorkommen der Purpurschnecke im Mittel-
meer, erklärt die Kostbarkeit des Produktes, dessen
damaligen Preis Friedlaender auf 40000—50000 Mk.
pro Kilo schätzt. Die eingehende Untersuchung des
Farbstoffes zeigte, dass er ein Abkömmling des In-
Münchner kunsttechnische Blätter.
7t
ist kaum anzunehmen, dass die Schwefeiverbindungen
infoige einer Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf
das Metall entstanden; doch liegt die Mögiichkeit
nahe, dass zuerst im Boden enthaltene Satze und
Säuren in Reaktion traten, dass somit Metaiisaize ent-
standen, die natüriich durch Schwefeiwasserstoffgas in
Sutfide langsam verwandeit wurden. Man kann aber
mit gleicher Berechtigung annehmen, dass sich zuerst
Schwefel- und schwefligsaure Salze bildeten an der
Oberfläche der Metalle, welche eine Reduktion er-
fuhren. Oxydations- und Reduktionserscheinungen
sind etwas durchaus Selbstverständliches, jede Lebens-
äusserung der Mikroorganismen im Boden bedingt sie.
Das Meer hat uns herrlich patinierte bronzene
Schiffsverzierungen aus der Wikingerzeit wiederge-
geben. Bei der Durchforschung des Wattmeeres fand
man sie im Schlick. Es ist ganz natürlich, dass die
Chlor-, Brom- und Jodsalze des Meerwassers sich
nicht nur an der Patinabildung beteiligten, sondern
dieselbe mehr oder weniger bedingten. Von mir aus-
geführte Analysen solcher dem Meeresgebiete ent-
stammenden Bronzen ergaben einen recht hohen Chlor-
kupfergehalt. Auch alte peruanische Skulpturen waren
mit einer grünen Chlorkupfer enthaltenden Patina be-
deckt.
Wir sehen schon jetzt, dass die alte Erklärung
des Begriffes Patina ins Wanken kommt; ihre völlige
Unhaltbarkeit erkennen wir, wenn wir die Zusammen-
setzung der Bronze berücksichtigen. Es kann sich
nur um einen kleinen Streifzug handeln, wir würden
uns zu sehr verlieren, wollten wir die Beziehungen
zergliedern, die zwischen Bronze und Edelrost natur-
gemäss bestehen.
Eine wundervolle mattschwarze Patina fand man
auf japanischen und chinesischen Bronzen folgender
Zusammensetzung:
a
b
c
d
e
Kupfer . .
82.72
82.90
81.30
83.09
72.09
Zinn . . .
4.36
2.64
3.27
3-23
5.53
Blei . . .
9.20
jo.47
11.05
n.50
20.31
Gold . . .
—
Spuren
—
—
Eisen. . .
9.55
0.64
0.67
0.22
!-73
Nickel . .
Spuren
—
—
Zink . . .
1.S6
z-74
3.27
0.50
0.67
Arsen . .
Spuren
0.25
Spuren
O.25
Spuren
Schwefel
Spuren Spuren
—
—
Spuren
Die mattschwarze Farbe des Edelrostes, die an
Intensität mit zunehmendem Bleigehalt wächst, ist auf
den grossen Bleigehalt zurückzuführen. Es kann sich
um die Bildung von Schwefelblei handeln oder von
Bleisuboxyd. Das erste würde entstanden sein durch
Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf oberflächlich
gebildete Bleisalze, das letzte durch Reduktion sauer-
stoffreicherer Bleisalze. Es liegt nun die Vermutung
nahe, dass alle bleireichen Bronzekompositionen die
dunkle Patina zeigen. Das ist aber durchaus nicht
der Fall; die alten Römer der späteren Kaiserzeit
brachten grosse Mengen Blei in ihre Bronzen, trotzdem
besitzen diese, soweit sie uns erhalten sind, eine grüne
Patina. Die Ursache der Schwärzung ist die Folge
eines ungleichmässigen Gusses. Das Wesen der Legie-
rung ist erst durch die physikalische Chemie erforscht,
diese aber ist eine moderne Wissenschaft. In den
durch mattschwarze Patina ausgezeichneten Bronzen
überwiegt das Blei in der Oberfläche. Es überrascht
den Bronzekenner, dass das Eisen, welches die Farbe
der Legierung ausserordentlich beeinflusst, die Meister
der Antike setzten dem Bronzemetall Eisen zu, um die
Totenblässe zu erzielen, auf den Ton der Patina fast
gar keinen Einfluss ausübt. Man sollte annehmen, dass
der Edelrost infolge der Bildung von Eisensauerstoff-
verbindungen eine in das Rötliche überspielende Farbe
erhielte. Das Eisen bewjrkt, falls es in einer grösseren
Masse vorhanden ist, eine Härtung der Bronze und
erzeugt eine blasse Patina. Philipps untersuchte eine
aus 92 Teilen Kupfer und 8 Teilen Eisen bestehende
Legierung, welche so hart war, dass sie sich kaum
bearbeiten liess. (Schluss folgt.)
Die moderne Teerfarben-Industrie.
(Schluss.)
Schon nach verhältnismässig kurzer Zeit verändern
sich die Färbungen auf Baumwolle, erst nach längerer Zeit,
nach vielen Wochen und Monaten, auch diejenigen auf
Wolle; sie werden grüner und stumpfer, aber im Gegen-
satz zu den Anilinfarben, welche oft nach einigen
Tagen schon ganz verblasst oder hässlich grau gewor-
den sind, hält sich diese Nuance sehr lange. Auf
dieser Eigentümlichkeit beruht meines Erachtens die
so viel gepriesene Schönheit und künstlerische Wir-
kung der alten persischen Teppiche.
Diese Eigenschaft zeigt selbstredend auch der
damit identische künstliche Indigo, nur ist er che-
misch rein. Bekanntlich wurde derselbe 1S80 von
Adolf v. Baeyer synthetisch dargestellt. Nach vieler
Mühe und Arbeit und unter Aufwendung einer be-
wundernswerten Geduld ist dann 17 Jahre später ([897)
der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik es ge-
lungen, vom Naphthafin ausgehend, den künstlichen
Indigo so billig herzustellen, dass er mit dem Natur-
produkt in Konkurrenz treten konnte. 1901 kamen
auch die Farbwerke vorm. Meister Lucius &
Brüning, vom Anilin ausgehend, mit dem syntheti-
schen Indigo auf den Markt. Heute wird fast überall
in der Welt, selbst in Persien, China und Japan, syn-
thetischer Indigo verwandt. Die Ausfuhr Deutsch-
lands an künstlichem Indigo betrug 1910 ca. 4z Mil-
lionen Mark.
Durch Variation der Ausgangsmaterialien und Her-
stellung homologer und analoger Produkte war es
diesmal nicht möglich, wie es sonst so oft der Fall
ist, die Natur zu überflügeln und indigoartige Produkte
von anderer Farbe oder mit anderen Eigenschaften
zu erhalten. Zwar gaben die Chlor- und Bromsubsti-
tutionsprodukte klarere und rötere oder grünere Fär-
bungen wie der Indigo rein und wurden deshalb auch
unter dem Namen Cibablau, Brillantindigo und
Bromindigo fabrikmässig hergestellt, aber sie waren
ebenfalls blau und zeigten sonst dasselbe Verhalten.
Wie weit wir durch die Synthese in der Teerfarben-
industrie gekommen sind, möchte ich Ihnen an dem
künstlich hergestellten Dibromindigo zeigen, der
identisch ist mit dem Purpur der Alten.
Der Purpur galt bekanntlich im Altertum als der
Inbegriff alles Schönen und Kostbaren und war viel-
fach den Königen Vorbehalten. Er wurde besonders
von den Phöniziern aus dem Saft der Purpurschnecke
hergestellt. Im Laufe der grossen weltgeschichtlichen
Umwälzungen ist der Farbstoff gleichsam verloren ge-
gangen, und man war nicht einmal mehr in der Lage,
seine Nuance genau anzugeben. Paul Friedlaender
in Darmstadt hat in neuester Zeit den antiken Pur-
pur zum Gegenstand einer interessanten Untersuchung
gemacht. Es ist ihm gelungen, den Farbstoff nach
einem besonderen Verfahren aus der Drüse der Pur-
purschnecke, und zwar einen rotvioletten aus Mu-
rex brandaris und einen dunkelblauen aus Murex
trunculus zu isolieren. Aus 12000 Stück dieser
Schnecken erhielt Friedlaender 1,5 g Farbstoff.
Diese winzige Menge, im Verein mit dem nicht allzu
häufigen Vorkommen der Purpurschnecke im Mittel-
meer, erklärt die Kostbarkeit des Produktes, dessen
damaligen Preis Friedlaender auf 40000—50000 Mk.
pro Kilo schätzt. Die eingehende Untersuchung des
Farbstoffes zeigte, dass er ein Abkömmling des In-