Hänchen, i$. April 1912.
Bettage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint )4 tägig unter Leitung von Maier Prof. Ern st Berger.
YHl.Jahrg. Nr.i$
Inhait: Ueber Risse in der Farbschicht von Oeigemäiden. Von Prof. Ernst Täuber. — Das „Blausehen". Von
Dr. F. Fischer. — Weiche Farben sind für Druckentwürfe grossen Formates anzuwenden? — Neue
Maiunteriagen. — Hugo Strucks neues Oeifarbenmateriai.
Ueber Risse in der Farbschicht von Oeigemäiden.
Von Prof. Dr. Ernst Täuber.
Schon seit einer Reihe von Jahren wende ich
der Frage meine Aufmerksamkeit zu, unter wei-
chen Bedingungen in der Farbschicht von Oei-
gemäiden Risse entstehen, und ich habe schon
Wiederholt, zuietzt zusammenhängend im Jahre
1909*), meine Beobachtungen bekanntgegeben.
Die von mir bis dahin durchgeführten Ver-
suche bezogen sich ausschiiessiich auf die Ueber-
einanderiegung einheitlicher Farbschichten, weil
dieser Fall der einfachere ist und deutlichere
Resultate versprach, als die Anwendung von
Farbenmischungen, die allerdings praktisch eine
weit grössere Rolle spielen, deren Untersuchung
sich aber wegen der überaus grossen Zahl mög-
licher Kombinationen ungemein umfangreich ge-
stalten zu müssen schien und weniger klare und
bestimmte Ergebnisse voraussehen liess.
Im übrigen mussten ja auch die an den ein-
heitlichen Farbschichten gemachten Wahrneh-
mungen Rückschlüsse auf das Verhalten von
Mischungen gestatten.
Ich wiederhole hier zunächst in aller Kürze
meine früheren Feststellungen:
1. Je dünner eine Untermalung ist und je
vollständiger sie durchgetrocknet ist, desto un-
gefährlicher ist sie den darübergelegten Farb-
schichten.
2. Leinöl als Bindemittel ist ungleich weniger
gefährlich als Mohnöl oder Walnussöl.
3- Besonders gefährlich als Untergrund sind
Mennige, Zinkweiss, Bleiweiss (Kremserweiss) und
Kobaltgrün in Mohnöl oder Walnussöl. Leider
kann hier, wenigstens bei den drei erstgenannten
*) Chemiker-Zeitung XXXIII, S. 85/86 und 94/95,
abgedruckt in diesen Biättern V (1909), S. 45/46, 49/50,
53/54.
Farben, das Mohnöl nicht durch Leinöl ersetzt
werden, bei Mennige deshalb nicht, weil dann die
Farbe auch in der Tube bald erhärtet, bei Zink-
weiss und Bleiweiss nicht, weil sie als Leinöl-
farben eine für den Künstler nicht gut brauchbare
Konsistenz besitzen, worauf ich bei anderer Ge-
legenheit näher einzugehen gedenke.
4. Als übergelegte Farben zeigen die grösste
Neigung zur Bildung von Rissen Krapp- und
Alizarinlacke, gebrannte Siena, Kobaltblau, grüne
Erde, Elfenbeinschwarz, Chromgelb, viele Ocker
in natürlichem wie in gebranntem Zustande,
schliesslich auch das Zinkweiss, welches in Mohnöl
gerieben auch als oberste Farbschicht sehr häufig
seinen Zusammenhang verliert.
Wird hier überall Leinöl als Bindemittel be-
nutzt, wie es in neuerer Zeit zumeist geschieht,
so ist die Gefahr sehr vermindert, auch wenn
die genannten Farben über Mohnölbleiweiss an-
gewendet werden.
Ich habe mich in der letzten Zeit auch mit
der Uebereinanderlegung von Farbschichten be-
schäftigt, welche aus zwei oder mehreren Einzel-
farben zusammengemischt sind, und bin dabei zu
dem einfachen Ergebnis gelangt, dass Mischfarben
von ähnlicher Zusammensetzung unbedenklich
ohne vollständiges Durchtrocknen der einzelnen
Schichten übereinandergelegt werden können, ohne
oder mit Zwischenschaltung dünner Harzschichten,
wie sie die Retuschierfirnisse liefern.
Eine Farbe, die, wie Kobaltblau oder Krapp-
lack, in unvermischtem Zustande auf unvollständig
durchgetrocknetem Bleiweiss, fast stets rissig
wird, verliert diese Neigung in dem Masse, in
dem ihr Bleiweiss zugemischt wird, so dass
schliesslich, wenn Bleiweiss mehr als die Hälfte