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Münchner kunsttechnische Blätter — 8.1911/​1912

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Nr. 18
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Berger, Ernst: Neue Gutachten über die römisch-pompejanische Wandmaltechnik, [6]
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Kühl, Hugo: Die Bildung der Patina
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https://doi.org/10.11588/diglit.36590#0074

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70

Münchner kunsttechnische matter.

Nr. r8.

Versuche von ca. 30 cm in der Höhe nicht be-
urteilen, ob die Farbe diejenige Leichtigkeit in
der Behandiung zuiässt, die für die Bemaiung von
Wandflächen in pompejanischem Stile von ß—4
zu 6—8 m erwünscht oder nötig erscheint. Nach
der Untersuchung mit der Lupe, bei welcher sich
die Beimischung eines widerspenstigen Elementes,
wie Kalk, stark bemerklich macht, würde ich
einige Zweifel darüber im Vergleich mit der von
mir gemeinten Wachsfarbe und angesichts der in
unserer Architekturabteilung aufgestellten Kopien
von rekonstruierten Teilen pompejanischer Wand-
malereien in natürlicher Grösse hegen, aber —
das müssen Sie besser wissen, da Sie das alles
ja selbst erprobt haben*).
Da übrigens schwerlich jemand wieder —
wie vor 50 Jahren — auf den Gedanken kommen
wird, sich ein Zimmer pompejanisch ausmalen zu
lassen, und für Wandmalereien inzwischen die
Kasein- und Temperafarbe in ihren verschiedenen
Nuancen in Aufnahme gekommen ist, so hat die
Frage mehr nur eine rein akademisch-wissenschaft-
liche Bedeutung, die bei der modernen Vorliebe
für nüchtern kahle weisse Wände und für die
Monumentalwerke der Herren Futuristen in keiner
Weise ins Gewicht lallt.
Mit vorzüglicher Hochachtung
ergebenst
A. v. Werner.
Die Bildung der Patina**).
Von Dr. Hugo Kühl-Kiel.
Unter Patina oder Edelrost versteht man allgemein
den schönen grünen, oft in einen braunen Ton über-
spielenden Belag, der uns beim Anblick alter Bronzen
so erfreut, dem die verwitterten Dächer altehrwürdiger
Kirchen ihr freundliches, warmes Gepräge verdanken.
Ungemein reizvoll wirkt der Edelrost auf jenen Meister-
werken klassischer Kunst, die uns Mutter Erde wieder-
schenkte ; es sei nur erinnert an die Ausgrabungen

*) Hinsichtlich der Möglichkeit, in Stukkolustro-
Manier grosse Flächen und lebensgrosse Figuren aus-
führen zu können, bieten meine Rekonstruktionen im
kleinen Formate wohl keinen Anhaltspunkt. Ausser
einer in sehr einfacher Dekoration hergestellten
Umbrüstungsmauer des Westenhofer Mosaiks im Münch.
Nationalmuseum, die ca 36 qm Fläche bemisst, habe
ich bis jetzt nichts Grösseres gemacht. Aber im Bern-
heimerschen Neubau (Lenbachpiatz, München) hat Ru-
dorffer nach Angaben des Erbauers Geh.R. v. Thiersch
einen ganzen Raum in antiker Art in Stukkolustro ge-
malt; Kollege Lebietzki (Wien) hat, wie er mir mit-
teilte, vor einigen Jahren einen figurenreichen Fries
in der Akademie der Wissenschaiten zu Athen ge-
schaffen, und neuestens ist er mit der Ausführung
des einige hundert Meter langen Frieses, der die
grosse Mittelhalle des Wiener Parlaments schmücken
soll — lauter lebensgrosse Figuren und Gruppen —,
beschäftigt. Dies mag beweisen, dass in Stukkolustro-
Technik auch grosse Aufgaben gelöst werden können.
**) Anmerkung. Der Nachdruck obigen Aufsatzes,
auch im Auszuge, ist nicht gestattet.
Die Schriftleitung.

Schliemanns, an die Funde im eigenen Vaterlande.
Man wird es leicht verstehen, dass Künstler und Ge-
lehrte entzückt waren von der warmen leuchtenden
Farbe der Patina, es überrascht uns nicht, dass im
Jahre 1864 auf Antrag des verstorbenen Prof. G. Magnus
in Berlin eine Kommission zur Erforschung der Patina-
bildung ernannt wurde. Die Ergebnisse dieser sich
auf Jahrzehnte erstreckenden Arbeit wollen wir nicht
wiedergeben, sondern vielmehr von ganz anderen Ge-
sichtspunkten aus die wundervollen Farbentöne der
Patina zu ergründen suchen.
Gewöhnlich liest man, Edelrost ist basisch kohlen-
saures Kupfer, eine Verbindung, die im Laufe der
Zeit entsteht, wenn Kohlensäure bei Gegenwart von
Feuchtigkeit auf metallisches Kupfer einwirkt. Diese
Erklärung ist sehr richtig, soweit es sich um die
schöne grüne Decke handelt, welche alte Kupferdächer
so freundlich erscheinen lässt; sie ist aber unzurei-
chend, oft sogar unzutreffend, wenn es sich um Bronzen
handelt, die lange Zeit im Schoss der Erde lagen
oder auf dem Grund des Meeres, wie die Kunstwerke,
welche von griechischen Fischern bei Mahödia 1907
als reicher Fang gesichtet wurden. Wohl überziehen
sich die Bronzestatuen in grünen Gärten fern von
Russ und Gas mit einem schönen grünen Edelrost,
der aus basisch kohlensaurem Salz besteht, nicht aber
die Kunstwerke in der Nähe von Fabriken. Es macht
sich der Einfluss der Industrie geltend. In verschie-
denen Grossstädten, z. B. in Berlin und London, hat
man die Bildung schwarzer Flecken auf Bronzestatuen
beobachtet. Ein interessantes Beispiel ist die be-
rühmte Statue des grossen Kurfürsten in Berlin, welche
früher eine herrliche grüne Patina besass, während
seit einigen Jahrzehnten eine dunkle Färbung auftritt.
Durch Analyse* der Patina konnte ein wesentlicher
Gehalt an Schwefel nachgewiesen werden. Die moderne
Industrie hat eine starke Verunreinigung der Luft
durch schweflige Säure und Schwefelwasserstoff zur
Folge. Diese Veränderung der Atmosphäre bedingt
selbstverständlich eine Veränderung des Edelrostes in
chemischer Beziehung.
Man hat zu unterscheiden, ob eine nicht patinierte
Statue durch die Bestandteile der Atmosphäre ge-
schwärzt wird oder ob es sich um eine Umbildung
der schon vorhandenen natürlichen Patina handelt. Im
ersten Falle wirken Schmutz, Staub und Russ wesent-
lich mit; sie verhindern die Bildung des basisch
kohlensauren Salzes und fördern die des Schwefel-
kupfers. Wie gross der Einfluss verunreinigter Luft
ist, möchte ich an zwei Beispielen kurz skizzieren.
Die in der Stadt London aufgestellten Bronze-
denkmäler besitzen durchgehend eine schwarze Fär-
bung, während die ausserhalb in Gärten errichteten
Denkmäler eine schöne grüne Patina aufweisen. Die
Büste des Plato im Prinzessinnengarten Berlins war
nach fünfviertel fahren schon sehr unansehnlich ge-
worden, dagegen hatte sich in demselben Zeitraum
die Büste des Adoranten im Schlossgarten zu Char-
lottenburg kaum verändert. Der Einfluss der atmo-
sphärischen Luft ist sehr weitgehend, wie wir sehen.
Dasselbe gilt aber von dem Boden, der uns reiche
Bronzeschätze aus einer alten Zeit wiederschenkte. In
einem der alten Keltengräber bei Haistadt fand A.
v. Schrötter einen aus Bronze gebildeten Ueberzug
auf einer antiken Haue. Auf den Bruchstücken waren
drei Schichten zu unterscheiden. Die äussere und
zugleich wichtigste besass eine indigoblaue Farbe und
bestand aus einfachem Schwefelkupfer, die zweite war
schwarzgrau, und leicht als Halbschwefelkupfer erkenn-
bar. Die dritte Schicht endlich bestand aus einem
feinen schwarzen Pulver und enthielt die Bestandteile
der antiken Bronze. Wir haben die äussere Schicht
als eine Patina anzusehen, die im Laufe vieler Jahr-
hunderte eine durchgreifende Veränderung erlitt. Es
 
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